Zwischen Tradition und Moderne, Maschine und Mensch, Distanz und Nähe – Fritz Fialka wandelt zwischen zwei Welten, die nur durch Handarbeit miteinander verbunden sind. im7ten hat den zweigleisigen Unternehmer besucht.
Seit vier Generationen sind die Fialkas Etui- und Kassettenmacher – ein faszinierendes und fast verschwundenes Traditionshandwerk in der gewerblichen Sparte Galanterie & Buchbinderei, das Friedrich „Fritz“ Fialka in einem Hinterhaus in der Schottenfeldgasse am Leben erhält. Während sein Urgroßvater den Beruf noch im Angestelltenverhältnis ausübte, sind die letzten drei Generationen der Fialka-Männer selbstständig in dem Bereich tätig. Großteils in Handarbeit und manchmal unterstützt von der Kraft von Maschinen, die heute nicht mehr hergestellt werden, entstehen in der Hinterhofwerkstatt Kassetten für Orden, Abzeichen und feines Besteck oder speziell angefertigte Etuis für Schmuckunikate sowie Ringetuis und vieles andere mehr. Fritz Fialka bewegt sich täglich in einer Werkstatt wie sie im Buche steht. In jeder Ecke entdeckt der handwerksaffine Besucher dies und das, was er auch noch einer Inspektion unterziehen und bestaunen möchte. Ein bisschen zur Belustigung des Gastgebers, dem alles hier so vertraut ist.
Andererseits sind ihm Begeisterungsstürme vertraut, denn vor einigen Jahren geriet der Unternehmer für etwas völlig anderes ins Schwärmen. So sehr, dass er eine dreieinhalbjährige Ausbildung absolviert und sich nun nebenbei ein Parallelbusiness aufgebaut hat: Er ist Shiatsu-Praktiker.
Ähm, wie jetzt?
Dass Fritz Fialka beruflich zum Chamäleon wurde, kam nicht völlig aus dem Nichts. Die Diagnose „Bandscheibenvorfall“ zwang den Unternehmer vor rund acht Jahren im wahrsten Sinne in die Knie. Eine Hiobsbotschaft für jemanden, der seinen Arbeitstag geschäftig in der Werkstatt verbringt, mit vollem Körpereinsatz ein Stück Holz bearbeitet, Maschinen mit Armkraft bedient, schwere Töpfe mit Knochenleim wuchtet.
Er suchte die Shiatsu-Praktikerin Anneliese Haidinger in der Seidengasse auf und bemerkte schon nach der ersten Behandlung eine so drastische Verbesserung seines körperlichen Zustands, dass er neugierig wurde und beschloss, selbst tiefer in die Shiatsu-Materie einzutauchen. Aus einer kurzen Exkursion sollte eine mehrjährige Reise werden …
Ich habe den Unternehmer in seiner Werkstatt im 7. Bezirk getroffen, um ihn in seinem ersten Revier über die zweite Domäne, die er vor einigen Jahren in Angriff genommen hat, auszufragen.
Das wollen wir jetzt aber genau wissen!
Nicht jeder, der einen Bandscheibenvorfall hat, wechselt das Berufsfeld, sondern empfiehlt seine/n Shiatsu-PraktikerIn anderen Betroffenen weiter …
Wieso, weshalb, warum? Das ist ganz einfach. Ich konnte damals nicht einmal richtig gehen. Nach der ersten Behandlung konnte ich wieder normal gehen und das, obwohl meine Shiatsu-Praktikerin im 1. Stock mit Mezzanin ist! Das war schon eine Challenge.
Also habe ich Anneliese [Anm. d. Red.: Haidinger] gefragt, wie das funktioniert und bin ihr mit meinen Fragen ewig auf die Nerven gegangen. Darum sagte sie zu mir: „Schau es Dir einfach mal an.“ Es gab einen Kurs, zu dem ich Einsitzen gehen konnte und Anneliese hat für mich Themen ausgewählt, die für einen Anfänger interessant sind. Dabei habe ich Feuer gefangen und mich für einen Kurs angemeldet.
Dieser Kurs ist dann 1 ½ oder 2 Jahre nicht zustande gekommen. Während dieser Zeit bin ich immer wieder in einem laufenden Kurs eingesessen und habe anschließend die Ausbildung absolviert.
Hast Du Dir überlegt, beruflich umzusatteln?
Nein, überhaupt nicht. Ned amoi dran denken!
Der/Die KlientIn liegt ja auf einer Matte, aber der andere wieselt, wenn er Pech hat, eine Stunde um den/die KlientIn herum. Es ist irrsinnig anstrengend, aber es ist faszinierend zu beobachten, welche Wandlung im Klienten/in der Klientin passiert!
Du hast ein … nennen wir es ambivalentes Verhältnis zur menschlichen Spezies. Thomas Kreuz hat einmal geschrieben [hier geht’s zum Blogbeitrag von Thomas Kreuz], dass Deine Stimme auch mal ein Donnergrollen sein kann, wenn man eine Kassette bzw. ein Etui als „Schachtel“ bezeichnet; wer Dir begegnet, darf sich den einen oder anderen schnippischen Kommentar gefallen lassen. Du ziehst Dich gerne in die Abgeschiedenheit Deiner Werkstatt zurück, wo Du einen fast verschwundenen Handwerksberuf ausübst. Im nächsten Moment lässt Du Dich auf ganzheitliche Körperarbeit mit einem anderen Menschen ein – wie funktioniert das?
Ich nehm ja nur die, die ich mag [lacht]. Außerdem bekommt man nur den/die KlientIn, der/die zu einem passt. Es ist wie ein Spiegel und man zieht KlientInnen an, über die man sich mit sich selbst auseinandersetzen kann.
Es taugt mir, dass ich ehrlich sein kann. Ich bin davon überzeugt, wenn Du etwas mit Liebe tust, dass das Resultat anders aussieht. Eine Tablette wird in wenigen Sekunden verabreicht, da ist es egal, ob Dir der verschreibende Arzt sympathisch ist oder nicht. Ich muss mich eine Stunde lang mit einem Menschen auseinandersetzen und das kann mitunter sehr anstrengend sein, wenn der/die KlientIn dagegenarbeitet.
Muss man bei Shiatsu als KlientIn aktiv mitarbeiten?
Das Einzige, was man machen muss, ist, nicht mitzuhelfen und es einfach geschehen lassen und halbwegs ehrlich sein. Anfangs gibt es eine Anamnese, bei der alles abgefragt wird – danach richtet man sich.
Was ich sehr mag ist in der TCM der Gedanke: „Es kann sein, es muss aber nicht sein.“ In unserer Medizin [Anm. d. Red.: Gemeint ist die Schulmedizin] ist es so: „Das ist das und das resultiert aus dem.“ Wenn Du Pech hast und die Wirkung der Behandlung nachlässt, bist Du austherapiert.
Das führt uns aber auch zu einem Kritikpunkt an Shiatsu: Die Nachweisbarkeit des positiven Effektes.
Der Nachweis: Du stehst dann auf und fragst Dich, wie es Dir geht. Meine persönliche Erfahrung war für mich Beweis genug.
[Lesetipp der Redaktion: Studie zu Erwartungshaltungen von KlientInnen sowie unmittelbare und längerfristige Wirkungen von Shiatsu. Hier gelangen Sie zur deutschen Zusammenfassung.]
Wie schnell darf man mit Erfolgen rechnen?
Das ist eine Frage, die niemand seriös beantworten kann. Ich kann Dir nicht anbieten, dass Du drei oder viermal zu mir kommst und Deine Beschwerden dann weg sind. Das kann niemand. Das wäre völlig unseriös.
Shiatsu ist eine energetische Körperarbeit, bei der mit Fingerdruck und Bewegungsabläufen gearbeitet wird. Sehr basic ausgedrückt würde ich es als Massagetechnik bezeichnen. Was gehört noch zum erweiterten Shiatsu-Feld?
Wir … und damit meine ich die Shiatsu-PraktikerInnen als Gruppe … wir moxen, wir schröpfen, wir bieten Ernährungsvorschläge an, wobei ich das weniger mache. Wir betrachten den Menschen ganzheitlich und machen Vorschläge, die teilweise sehr banal sind: Spaziergänge, um wieder Kontakt zur Natur zu bekommen, eine sanfte aber stetige Veränderung der Ernährungsgewohnheiten, wenn Du keine eigenen Kinder hast, dann begleite Bekannte mit Kindern ins Kino oder in den Streichelzoo und komme so wieder in Kontakt mit Dir selbst.
Wie unterscheiden sich die beiden Berufsfelder, in denen Du Dich bewegst?
Gute Frage: Passt das zusammen? Man hat das Gefühl, dass sie nicht zusammenpassen! Irgendwann stellt man sich die Frage, was von beiden man machen soll, aber im Shiatsu geht es extrem viel um Handarbeit und somit genau das, was ich hier auch mache. Nur mit einem anderen Material – in dem Fall mit einem Menschen; und der ist genauso bockig wie das Holz hier.
Du bist hier im 7. Bezirk in Deiner Werkstatt, wo Du Etuis herstellst und pendelst für die Shiatsu-Sitzungen in den 15. Bezirk – ist das nicht schwer zu jonglieren?
Ich mag die Abwechslung und bin innerhalb von 15 Minuten drüben. Mein Ziel ist es, beides 50:50 zu machen. Ein Umzug in den 7. Bezirk ist nicht ausgeschlossen.
Shiatsu im 7. Bezirk
Fritz Fialka absolvierte seine Shiatsu-Ausbildung bei Kiatsu – Schule für Shiatsu in der Seidengasse 32, 1070 Wien. Dort gibt es auch die Möglichkeit, an Schnuppertagen teilzunehmen. Im November 2018 beginnt ein neuer Jahrgang. Informationen dazu finden Interessierte auf www.kiatsu.at oder schreiben Sie eine E-Mail an info@kiatsu.at.
Übrigens: Der 7. Bezirk ist ein Hot Spot für Shiatsu! Wer es ausprobieren möchte, kann zwischen Ring und Gürtel bzw. zwischen Mariahilfer Straße und Lerchenfelder Straße zwischen zwölf Shiatsu-PraktikerInnen wählen. Wie sie sich für den/die passende/n Shiatsu-PraktikerIn entscheiden? Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl beim Erstkontakt per Telefon – die Chemie zwischen Ihnen muss stimmen.
Neugierig geworden?
Sie erreichen Fritz Fialka, den Etui- und Kassettenerzeuger, in der Schottenfeldgasse 63, 1070 Wien, bzw. online unter www.etui-fialka.com
Fritz Fialka, der Shiatsu-Praktiker, arbeitet gerne mit Ihnen in der Karmeliterhofgasse 10/19, 1150 Wien, mobil erreichbar unter 0676 55 15 025 oder via E-Mail: shiatsu-fialka@vienna.at.
PS: Sie lieben Handwerk?
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