Warum gibt’s in Neubau keinen Heurigen?

Wir Wiener und Wienerinnen kennen ja den Heurigen und wissen was er bedeutet. Als Besucher oder Zugezogener sind solche Begriffe, wie „Heuriger“ durchaus verwirrend.

Die deutsche Sprache verwendet „heurig“ als Synonym für momentan oder derzeitig, zum Beispiel: „im heurigen Jahr“ meint somit das laufende Jahr.

Heurige bezeichnet erntefrische Kartoffel

Begibt man sich in einen Supermarkt oder gar zum Greissler – was ist das schon wieder?- also in einen kleinen Lebensmittelladen, findet der oder die Kochwillige bei  diversen Kartoffelangeboten Bezeichnungen wie Erika, Ditta, Agatha oder eben Heurige, was die schon frischen, aus der diesjährigen Saison stammenden Kartoffeln auszeichnet.

Wenn der Wiener aber sagt „Wir gehen zum Heurigen“, meint er dann natürlich nicht dass er nun zum Kartoffellauf antritt, sondern den Ort, der zwar einfach ausgestattet, jedoch durchaus Gemütlichkeit ausstrahlen kann – und diese Gemütlichkeit wird dem Wiener genauso nachgesagt, wie der Grant und die Weinseligkeit.

Die Gemütlichkeit, der Grant und die Weinseligkeit

Letzteres, die Weinseligkeit, scheint ein Wiener Schlüssel zu all den vorhergehenden Begriffen.

Der erste Schritt, nach Betreten des Heurigen-Lokals ist die Weinbestellung, man hat sich an einem der rustikalen Holztische niedergelassen. Viele Möglichkeiten sind da offen, an der Kreidetafel bei der Schank oder auch in der Weinkarte  sind vielerlei Sorten ausgewiesen, in Wien und Umgebung wird der Gemischte Satz oder eben auch der Heurige angeboten.

Ein gemischter Satz bezeichnet einen Wein aus diversen Weintraubensorten miteinander vermischt und dann gemeinsam vergoren. Der Heurige besteht meistens auch aus verschiedenen Sorten und ist noch dazu ein frischer Weißwein, also ein Wein, der nicht allzu lang im Fass gelegen ist. Welche Sorten das sind, ist oft nicht zu eruieren. Das ist dem Wiener auch egal, schmecken soll er, der Wein.

Die Auswahl am Buffet – manchmal karg, manchmal üppig

Der erste Durst gelöscht, der Heurigenbesucher begibt sich zum Buffet, denn zum Trinken braucht der Mensch natürlich eine Unterlage. Man stellt sich nun in die Reihe der Wartenden, durchaus weinselig- sprich gut gelaunt und ohne Eile. Es wird an der Theke nur jeweils einer bedient, somit hat man Zeit zu gustieren, in der Vitrine werden verschiedene Aufstriche wie Liptauer, Kräuter-oder Eiaufstriche präsentiert. Es gibt auch Erdäpfelsalat, Mais- und Schwarzwurzelsalat. Gut passen dazu dann ein warmer Kümmelbraten, Fleisch-oder Wurstknödel, saure Wurst mit Zwiebel ist auch eine Option.

Jetzt sind diese Speisen dem Touristen kaum bekannt, angeschrieben in der Vitrine werden sie selten, und die Bedienung an der Theke ist meistens sehr beschäftigt, weil sie ja zusätzlich auch noch Brot aufschneiden muss. Und deshalb wortkarg, also grantig. „Tablett, Messa, Gowen miassn’s söba nehman“. Bitte was?

Also wendet sich der liebe Gast an seinen Vordermann, der gerade an der Reihe ist, und versucht Informationen zu den eben bestellten Speisen zu bekommen:„Was ist denn das da?“
„A Bradlfettn.“
„Aha, also ein Käse?“
„Nein, ein Fett, ein Schweinsfett, vom Schweinsbraten.“
„Oh ich bin Vegetarier“, meint daraufhin der Gast.

Dieses kurze Gespräch hört auch die Schankfrau mit, Touristen sind ihr von Haus aus suspekt und Vegetarier noch mehr. Als der  dann an die Reihe kommt und aus Unwissenheit „einmal diese Knödel da“ bestellt, wird wortlos ein Teller mit einer Portion Grammelknödel auf die Vitrine gestellt. Und ihrem Gesichtsausdruck merkt man an: „Er wiad’s scho merkn, wia guat des is“.

Foto: Bernhard Schramm

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