Wer malt unser Weltbild? Zum Teil führen wir den Pinsel eigenständig und färben unsere Anschauungen durch persönliche Erlebnisse und Erfahrungen aus erster Hand. Gewisse Abschnitte des Bildes borgen wir allerdings von Anderen, sie werden uns vermittelt. Massenmedien sind die institutionalisierte Form dieser Vermittlung. Doch letztendlich stecken hinter den großen Meinungsfabriken auch nur Menschen, die wiederum durch eigene Erlebnisse geprägt werden. Trotz ehrlichem Bestreben nach Objektivität, finden sich so gewisse Teile des Weltbildes der Medienmacher im journalistischen Endprodukt wieder. Ein Vorgang, der kaum zu verhindern ist, dessen man sich als Medienkonsument aber bewusst sein sollte. Aber was passiert, wenn aus Rezipienten Produzenten werden? Wir haben Dr. Helga Schwarzwald in ihrem Büro in der Kandlgasse getroffen und mit ihr über den „Verband freier Radios“ und partizipativen Bürgerrundfunk gesprochen.
Piraten ohne Schiff – Zu schnell fürs Gesetz
Zuerst kamen freie Radios, dann kam freier Rundfunk. Bevor Österreich das Orf-Monopol auf Geheiß des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aufließ und so den Markt für Privatsender öffnete, gab es bereits die ersten unabhängig agierenden Rundfunkbetreiber. Die Akteure begaben sich auf brüchigen Boden, so galten ihre Handlungen zur damaligen Zeit noch als illegal. Nicht selten endeten die Übertragungen mit Beschlagnahmungen oder einem abrupten Standortwechsel, um der Exekutive zu entkommen. Nichtsdestotrotz existierte durch den 1993 gegründeten „Verband freier Radios“ eine aktive Interessensgemeinschaft, deren Stimme nicht ungehört bleiben sollte. Im Namen der freien Meinungsäußerung trat die Gruppe gemeinsam mit anderen Aktivisten für eine Öffnung des Rundfunkmarktes ein und trug so erheblich zum Urteil des EGMR bei. Im Jahr 1998 ging „Radio Orange“ als erster non-kommerzieller, volllizensierter Sender „on Air“.
Was bedeutet Freiheit?
Frei, das bedeutet, jeder kann mitmachen, und das kostenlos. Dr. Schwarzwald, die selbst einige Jahre Geschäftsführerin von „Radio Orange“ war, spricht von Basisdemokratie und Bürgerbeteiligung. Es soll all jenen eine Stimme gegeben werden, die sonst keine haben, all das gesagt werden, was sonst nicht erwähnt wird. Dabei gilt absolute Gleichstellung von Alter, Herkunft und etwaigen anderen menschlichen Unterscheidungsmerkmalen. Lang lebe die Diversität! Die Sender agieren nach dem Motto „Act local, think global“, was sich durch vielfältige Grätzlbeiträge, Geschichten aus der Community und ein starkes internationales Netzwerk ausdrückt. Der „Verband freier Radios“ ist non-kommerziell, statt durch Werbung finanziert er sich durch öffentliche Förderungen. Mit ungefähr drei Millionen Euro pro Jahr erhält der Verband einen Bruchteil der Rundfunkgebühren. Davon werden österreichweit vierzehn freie Radiosender und drei Fernsehstationen gespeist. Zum Vergleich: Der Orf bekommt ungefähr den zweihundertfachen Betrag.
Wie kann ich mich beteiligen?
Um bei „Radio Orange“ mitzumachen, braucht man lediglich eine gute Idee und Tatendrang. In einem kostenlosen Einschulungskurs im Ausmaß von 20 Stunden erlernen Interessenten das Grundwissen zur Produktion einer eigenen Radiosendung. Danach gilt es, ein Konzept zu verfassen und eine Nullnummer, also einen Prototyp des geplanten Formates, aufzunehmen. Der Sender stellt zu diesem Zweck sein Vorproduktionsstudio und eventuell benötigtes Equipment zur Verfügung. Nachdem Konzept und Nullnummer eingereicht wurden, prüft das Programmgremium des Senders, ob die Beitragsidee den Richtlinien des freien Radios entspricht. Eine detaillierte Anleitung zu den oben genannten Schritten findet sich auf der Website von „Radio Orange“. Sobald es grünes beziehungsweise oranges Licht gibt, steht der eigenen Radiosendung nichts mehr im Weg. Wer weiß, vielleicht heißt es ja bald: „Radio Neubau, jetzt on Air“.
RADIO ORANGE EINREICHFRISTEN FÜR SENDUNGSKONZEPTE & NULLNUMMERN 2017
24. März 2017
02. Juni 2017
20. September 2017
19. November 2017
Beitragsbild: Radiofabrik – Community Media Association Salzburg
Bild von Dr. Schwarzwald: Ian Ehm
Weiteres Bildmaterial: Radiofabrik – Community Media Association Salzburg