Anlässlich der Fashion Revolution Week, die weltweit dieses Jahr von 15. bis 24. April 2024 mit Events und Aktionen begangen wird, beschäftigen wir uns mit der Frage, „Who made my clothes?“
Wir haben drei Unternehmer*innen aus dem Grätzl zum Thema Fair Fashion befragt und wollten wissen, wo der Unterschied zwischen tragwürdiger und fragwürdiger Mode liegt.
Was ist die Fashion Revolution?
Elf Jahre ist es her, dass der Einsturz des achtgeschossigen Rana Plaza in Sabhar, Bangladesch 1134 Menschenleben forderte. Aus der Katastrophe formte sich eine Bewegung, eine Community von Gleichgesinnten, die sich kritisch mit der Modebranche auseinandersetzt:
„Wir lieben Mode. Aber wir wollen nicht, dass unsere Kleidung Menschen ausbeutet oder unseren Planeten zerstört. Wir fordern radikale, revolutionäre Veränderungen“, so das Manifest des Fashion Revolution Movements, das in Großbritannien gegründet wurde und mittlerweile in neunzig Ländern aktiv ist.
Die Bewegung setzt sich aus Menschen zusammen, die als Designer*innen, Produzent*innen, Schneider*innen, Arbeiter*innen, Händler*innen, politische Entscheidungsträger*innen oder Konsument*innen einfordern, dass das Geschäft mit Mode von der Materialgewinnung bis zum Kleiderkasten (und genaugenommen darüber hinaus) transparent wird.
Wer gewinnt, wenn wir weniger zahlen?
Im Rahmen der Fashion Revolution Week wird mit zahlreichen Aktionen weltweit auf Missstände, aber auch auf positive Entwicklungen aufmerksam gemacht. Es wird diskutiert, sichtbar gemacht und – ganz besonders wichtig – es wird aufgeklärt. Denn auch wenn für Branchenkenner*innen die Idee eines 4-Euro-T-Shirts schon immer eine Utopie war, so ist sie de facto in manchen Fast-Fashion-Stores immer noch eine Realität, bei der es viele Verlierer*innen gibt.
Nachgefragt
Wir haben drei Unternehmer*innen zum Thema Fashion Revolution befragt, die sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten um Fairness im Modebusiness bemühen und damit für mehr Transparenz in ihrem Wirkungskreis sorgen.
Handwerk Wien ist ein Wiener Schneideratelier unter der Leitung von Beatrix Standl, das Ausbildungsplätze für junge Menschen bietet, die hier das Handwerk des Kleidermachens von der Pike auf erlernen. Die Kund*innen von Handwerk Wien genießen ein umfassendes Leistungsspektrum: Änderungsschneiderei, Maßanfertigungen und Kleinserienfertigung – zu 100 % in Wien Neubau.
Das Familienunternehmen Turek hat sich seit den 1960ern als Jeans-Händler einen Namen gemacht. Das Angebot umfasst mittlerweile auch 26 zertifiziert nachhaltige Brands, die unter dem Label Fair & Conscious zusammengefasst werden, sodass Kund*innen gezielt nach Kleidung suchen können, die ihren Ansprüchen an Mode gerecht werden.
Martina Meixner ist Gründerin des Wiener Modelabels maronski. Die von ihr entworfenen Kleidungsstücke werden in der Slowakei und in Wien unter guten Arbeitsbedingungen und fairer Bezahlung produziert.
Welcher Aspekt von Nachhaltigkeit spielt bei eurer Arbeit die größte Rolle – für euer Unternehmen, aber auch beim Kaufverhalten der Kund*innen?
Jasmin Turek-Rezac, Turek: „Es ist schwer, eine Priorisierung zwischen den verschiedenen Kriterien für Nachhaltigkeit zu setzen. Meist spezialisieren sich die Brands stark auf ein Thema, wir haben aber auch Brands im Sortiment, die es bereits jetzt schaffen, bei allen Richtungen des Themas Nachhaltigkeit – ob soziale Themen, Umweltfreundlichkeit oder Ressourcenschonung – Vorbildstellung einzunehmen. Dies ist mit einer langen Entwicklungsphase und hohen Kosten verbunden. Diese Brands tragen dann z. B, den „grünen Knopf“ – ein besonders anspruchsvolles Nachhaltigkeitssiegel.“
Martina Meixner, maronski: „Ich fokussiere mich bei diesen Aspekten vor allem auf die Produktion und Kontrolle der Arbeitsbedingungen. Ich bin einmal pro Woche direkt vor Ort in der Produktionsstätte Slowakei und Wien und kann somit auch dafür garantieren, dass sämtliche im Produktionsprozess involvierte Menschen fair bezahlt werden und die Produktion unter Einhaltung aller sozial-ökologischer Standards erfolgt. Beim Einkauf der Rohstoffe verlasse ich mich auf die jahrelange Zusammenarbeit mit meinen Stoffhändlern und deren Zertifikate.“
Beatrix Standl, Handwerk Wien: „Wir erleben hier in der Werkstätte großes Interesse, wer das Werkstück gefertigt hat. Auch die Frage wo. Regionalität in der Produktion nimmt einen immer größer werdenden Stellenwert ein. Dieses Interesse bemerken wir sowohl bei Unternehmen, die Kleinserien bei uns anfertigen lassen, als auch bei Endkunden. Wir kommunizieren das auch sehr transparent, weil wir das Gefühl haben, dass der Kunde somit mehr Bezug und Wertschätzung zum Werkstück aufbaut und somit mehr Freude damit hat und es länger trägt.“
Im achten Punkt des Fashion-Revolution-Manifests ist festgehalten, dass Mode transparent zu sein hat. Hier setzen auch unterschiedliche Gütesiegel an, die die Einhaltung vorgeschriebener Standards zertifizieren. Eine für Konsument*innen hilfreiche Website ist siegelklarheit.de. Wir haben auch bei den drei Unternehmer*innen nachgefragt, auf welche Labels sie beim Kleiderkauf achten.
Martina Meixner, maronski: „Ich trage vor allem meine selbst entworfene Kleidung und mein Einkaufsbedarf ist damit zu 90 % abgedeckt. Sonst versuche ich auf Zertifikate zu achten, aber es gelingt leider nicht immer! Prinzipiell kaufe ich aber nie Produkte, die preislich so absurd niedrig angeboten werden, dass die Produktionskette auch nur annähernd fair abgelaufen sein kann.“
Jasmin Turek-Rezac, Turek: „Seitdem ich meine Bekleidung selbst aussuche, bin ich nur in Turek gekleidet. Turek ist über die internen Qualitätsansprüche bei der Auswahl der Brands auf die Fairtrade-Brands gestoßen. Aus persönlicher Vorliebe haben wir die Fairtrade-Brands immer mehr ausgebaut und haben heute die größte Auswahl an Fairtrade-Brands in Wien.“
Beatrix Standl, Handwerk Wien: „Ich kaufe sehr wenig und trage das aus, was die Fülle meines Kastens hergibt. Die Zeiten, in denen das neueste Designerstück schon zu Saisonbeginn erworben werden musste, sind vorbei. Und das ist gut so. Wenn doch einmal was Neues lockt, dann wird etwas in der Werkstätte genäht oder ich finde schöne Stücke gerade hier in der Neubaugasse und den Seitengassen in einem der tollen Läden, die ebenso auf Nachhaltigkeit und Regionalität achten.“
Die Sache mit dem 4-Euro-T-Shirt
Es gibt sie beide – das 40-Euro-T-Shirt und das 4-Euro-T-Shirt. Doch wie kann man Kund*innen helfen zu unterscheiden, ob der Preisunterschied aufgrund von fairer Bezahlung entlang der Produktionskette zustande kommt oder ob man 36 Euro mehr für Branding und den Markennamen zahlt? Beatrix Standl hält fest: „Die Erfahrung zeigt, dass teurere Ware oder teurerer Stoff schon bessere Qualität bedeutet. Oft hat man aber auch mit einem günstigen Model gute Qualität gekauft. Die Modebranche bemüht sich sehr um Qualitätssiegel, um den Kunden die Entscheidung zu erleichtern umweltbewusst einzukaufen“, und schlägt damit in dieselbe Kerbe wie Jasmin Turek-Rezac, die ebenfalls auf offizielle Zertifikate hinweist.
Martina Meixner setzt bei ihrem Label maronski auf Kommunikation: „Nachdem bei meinem Label die Produktionskette transparent ist und ich mit einem kleinen Team meine Kundinnen sehr persönlich betreuen kann, gelingt es uns auch, diese Transparenz gut zu kommunizieren. Wenn die Preise meiner Kleidungsstücke hinterfragt werden, reicht meist eine kurze Erklärung zur Herkunft der Stoffe und der Entstehung des Produktes!“
Entscheidungsverschiebung
Bei der Recherche für diesen Beitrag begegnet uns auch noch ein weiterer wichtiger Gedanke, nämlich dass bewusst ausgesuchte Stücke glücklicher machen, als schnell gekaufte billige Schnäppchenkleidung. Schnell getroffene Entscheidungen aus Preisgründen entpuppen sich meist nur als eine Entscheidungsverschiebung. Wer Kaufentscheidungen mit dem Gedanken, „es ist billig, darum nehme ich es mit und entscheide später, ob ich es will“, trifft, strapaziere mit dieser „offenen Entscheidung“ Ressourcen im Kopf, die nie ein so schönes und erfüllendes Gefühl geben, wie bewusst getroffene Kaufentscheidungen und das Tragen eben dieser bewusst ausgesuchten Stücke.
Weiterführende Links und Adressen
Fashion Revolution
Free Download: Alle Kampagnenposter zum Aufhängen oder für Social-Media-Postings gibt es hier zum Download
www.fashionrevolution.org
Handwerk Wien
Neubaugasse 11/15, 1070 Wien
www.handwerkwien.com
Lesetipp: Handwerk Wien | Ein Unternehmen an der cutting edge auf im7ten.com
maronski
Neubaugasse 7, 1070 Wien
www.maronski.at
Turek
Neubaugasse 2 Ecke Mariahilfer Straße 68, 1070 Wien
www.turek.at
Text: Veronika Fischer
Titelbild: E. Antonowicz Mdaszkowska
Der Beitrag wurde im April 2021 erstmals auf neubaugasse.at veröffentlicht und für im7ten.com adaptiert. Letztes Update: 19. März 2024