Ein unscheinbarer Kaktus steht im Schaufenster von Tsai-JuWus Atelier, auch sonst deutet nicht viel auf den faszinierenden Inhalt des kleinen Ladens hin. Sie teilt sich den Raum mit einer befreundeten Künstlerin und einer beachtlichen Ansammlung allerlei sonderbarer Gegenstände.
An der Wand hängen ihre Werke, der Schreibtisch ist voll mit kleineren Zeichnungen und in der Ecke ist eine Kunstinstallation angebracht, die einer Wolke ähnelt und die Bewegung im Raum veranschaulicht. Tsai-Ju studiert an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Ihre Beziehung zur Kunst entwickelte sie allerdings schon in ihrer Schulzeit in Taiwan. Damals machte sie Alltagsfotos mit Analogkameras und entwickelte sie anschließend in der Dunkelkammer. Sie wird am 1. Oktober 2017 mit einer Kunstinstallation an der Einweihung der „Steine der Erinnerung“ teilnehmen.
Über Vergänglichkeit und Wandel
Tsai-Ju erinnert an einen Lebensmittelhandel, der sich einst in der Westbahnstraße 39 befand. Wie so viele wurden die damaligen Besitzer enteignet. In Tsai-Jus Atelier steht ein altertümlicher Kühlschrank, er funktioniert ohne Strom und muss manuell mit Eis befüllt werden. Die Kühltruhe, die Tsai-Ju bei einer Räumungsfirma erworben hat, wird ein Teil der Kunstinstallation sein. So weist sie einerseits auf die Profession der ehemaligen Besitzer des Lebensmittelhandels hin und manifestiert andererseits zugleich Vergänglichkeit und Wandel.
Denn wie das Eis im Kühlschrank, schmilzt die Zeit dahin, und so ist alles, das Gute wie das Böse, stetiger Veränderung unterworfen.
Von Taiwan ins Burgenland
Tsai-Ju gelangte durch ein Austauschprogramm ihrer Schule von Taiwan nach Österreich und kam ins Burgenland. Dort brachte sie ein Jahr zu und fasste den Beschluss, in Wien zu studieren. So ist auch ihre Biografie vom konstanten Wandel geprägt. Ein Thema, das sich nicht nur bei ihrer Kunstinstallation für die „Steine der Erinnerung“ wiederfindet.
Kunst um der Kunst willen
Wenn Tsai-Ju zu zeichnen beginnt, hat sie meistens kein Ziel. Sie gibt sich voll und ganz der Inspiration hin, lässt sich treiben. Große Schlieren, verschlungene Formen, größtenteils in Schwarz-Weiß gehalten. Kunst um der Kunst willen, die Kreation als Ventil, um sich auszudrücken. Ursprünglich hatte sie geplant, den Gehweg vor dem ehemaligen Lebensmittelhandel mit Kreide zu bemalen, doch das war ihr letztendlich zu einfach. Sie wollte sich selbst fordern, um die Bedeutungsschwere der „Steine der Erinnerung“ im Rahmen der Enthüllung entsprechend zu transportieren. Tsai-Ju wird am 1. Oktober, begleitend zu ihrer Kunstinstallation, einen erläuternden Text lesen.
Mehr Informationen zur Künstlerin findet man auf zaiw.tumblr.com. Alle Informationen zum Projekt „Steine der Erinnerung in der Westbahnstraße“ gibt es auf der Website steinedererinnerung.at.