Wer für wen? Wenn ich überlege, wer meine Schuhe doppelt, wer meine Nähte flickt , wo ich meine Zeitung kaufe, meine Orangen und das Olivenöl, meinen Grünen Tee, wo bringe ich meine Künstler_innen aus dem Ausland unter? Es ist der Schuster aus Usbekistan, der Schneider aus Sierra Leone, der Trafikant aus Persien, Lebensmittel vom Griechen, Inder oder Italiener, der Buchhändler aus Ex Jugoslawien, die Japanerin, die mich über verschieden Teezubereitungen unterrichtet, das nette Hotel in philippinischer Hand, in dem sich meine Gäste wohl fühlen.
Was wäre wenn diese Menschen nicht in Wien wären?
Es gäbe weniger Schneider, Schuster, Schlüsselmacher, Greissler Läden und Spezereien Fachgeschäfte, Restaurants und Schnellverkoster, wir wären nur von großen Unternehmen abhängig, einer globalen Wirtschaft ausgeliefert.
Individuelle Beratung in kleinen Fachgeschäften, Nahversorgung, einen Plausch beim Einkaufen halten, was selbigen viel erträglicher macht, und beim Betreten des Lokals ein persönliches und nicht firmenintern verschriebenes, eingefrorenes, Lächeln geschenkt bekommen, das nützt uns allen.
Im 7. Bezirk gibt es viele Gewerbetreibende mit Migrations Hintergrund. Ich werde 2016 zwölf dieser Händler vorstellen.
Ein Märchen aus Samarkand
Elia Baraev aus Samarkand, Usbekistan, besuchte 1991 Verwandte in Wien. Er lernte seine Liebe kennen und blieb. Elia Baraev heiratete die Österreicherin und stieg 1993 bei ihrem Vater, einem Schumacher in der Westbahnstrasse, ins Geschäft ein. Baraev wechselte in ein neues Lokal in die Kaiserstrasse 48, in dem er neben Schustertätigkeiten auch Lederpflege, Portemonnaies und Budapester Schuhe verkauft. Zusätzlich bietet er noch Dienstleistungen wie einen Aufsperrdienst / Schlüsseldienst an. Das vielfache Angebot kann der dreifache Familienvater nicht mehr alleine bewältigen. Zur Zeit beschäftigt er eine Halbtagskraft und einen geringfügig Beschäftigten. Er könnte bessere Jobs anbieten, wenn die Lohnnebenkosten nicht so extrem hoch wären. Elia Baraev bemerkte noch, dass das Leben eines Gewerbetreibenden nicht einfacher wurde in den letzten Jahren. Wien ist zu seiner neuen Heimat geworden, hier ist seine Familie, er fühlt sich in seinem Freundeskreis geborgen. In Samarkand lebt niemand mehr. Seine Familie und Schulkollegen sind ausgewandert oder verstorben. Die gut ausgebildeten Menschen sahen keine Zukunft mehr in Usbekistan. Das Land leidet unter Fachkräftemangel. Nach der Verkündung der Unabhängigkeit Usbekistans 1991, nach dem Zusammenbruch der Sowjet Union, wurden binnen Kurzem die Rechtsgrundlagen des neuen Staates geschaffen. Die Verfassung Usbekistans ist auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft mit sozialen Garantien und Grundrechtsschutz ausgerichtet. Die praktische Umsetzung der Verfassung durch die Politik ist jedoch heftiger Kritik wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit und erheblicher Demokratiedefizite ausgesetzt.
Elia Baraev
Reparatur von Schuhen, Aufsperrdienst, Schlüsseldienst
Kaiserstrasse 48
Tel.: 01 5265577
Im Jänner haben wir Barrie Abdul Ai vorgestellt.
Text und Photokredits: Denise Parizek 2016