Eigentlich hatten wir ja angedacht, uns im „Oben“ zu treffen. Das kennt man ja, am Dach der Hauptbücherei, grandioser Ausblick bis hin zum Kahlenberg. „Da ist es aber um die Mittagszeit bestimmt nicht ruhig.“, meint sie – also nicht, dass sie das stören würde – aber wenn ich mit einem Aufnahmegerät komme…
Das Top-Ranking der Postings
Auch gut, dann soll es also direkt am Ort des Geschehens sein. Bei den Bestseller-Regalen. Nirgendwo sonst würde ich mich lieber sehen. Da gibt’s so einen einladenden Sitzbereich zum Schmökern – ich hab mir meine Lektüre gleich selbst mitgebracht: „Wo stehen hier die E-Books?“, das Best of Postings der Büchereien Wien in Printformat.
Heftige Bücher für heftige Menschen – was und wer mich da wohl erwartet? Also gut, ich lese mich mal ein! Und schmunzle gleich so richtig drauf los – hoppala, hier herrscht ja Handyverbot, ob da verhaltenes Kichern überhaupt erlaubt ist?
Schon schauen mich meine SitznachbarInnen etwas distinguiert an. Sorry, ab sofort werde ich mein inneres Lachen kultivieren. Und mir das Bild der im Vorwort beschriebenen Bibliothekarin vor Augen führen. Gibt’s die hier wirklich, so in echt? Mit blaugefärbten Haaren und Arschgeweih?
Und da erspähe ich sie schon, vermute ich zumindest, ich kenne sie ja noch nicht. Also nur von ihren Postings und meiner Recherche, aber noch nicht persönlich. Unerfahren, wie ich im Umgang mit blind dates halt so bin, spreche ich sie an. Und Jackpot – ich hab sie gefunden, direkt vor den Bestseller-Regalen, the one and only:
Monika Reitprecht – die Frau hinter der digitalen Stimme der Social Media Auftritte der Büchereien Wien! Und sie entspricht so gar nicht dem Bild, dass da gerade durch diese humoristische Lektüre in meinem Kopfkino kultiviert wurde.
Ein Leben ohne Bücherei ist möglich, aber sinnlos
Wenn man Monika Reitprecht so zuhört beim Erzählen, nahezu Schwärmen von ihrem Arbeitsplatz, merkt man, wie sehr sie hinter dieser Aussage steht. Die Vorteile eines großen Betriebes, der nicht so akademisch strukturiert ist, die vielen verschiedenen Betätigungsmöglichkeiten, der Freiraum, die Spezialisierungsangebote – all das schätzt sie an ihrem Arbeitgeber.
Die Erwartungserhaltung von außen aber auch der Selbstanspruch, die Kundenbindung und die Imagekorrektur, weg vom gesichtslosen Unternehmen – viele Faktoren haben dazu beigetragen, dass unter dem Zepter von Monika Reitprecht aus dem virtuellen Auftritt der Büchereien Wien der erfolgreichste in der deutschsprachigen Bibliothekswelt wurde – aktuell 51.765 „Gefällt mir“-Angaben können nicht irren!
Der 1. Tweet ist auf twitter.com/buechereiwien am 13. 12.2010 online gegangen.
Das 1. Facebook Posting auf facebook.com/buechereien.wien/ sogar noch früher, schon am 08.07.2009.
29.01.2016 „Mich irritiert der zwischen 11 und 15 Uhr obligate Wiener Amtsgruß („Mahlzeit“) ja noch immer. Vor allem wenn er am Klo erfolgt.“
Wie steht es denn so um den urwienerischen Schmäh der Monika Reitprecht? Kommt alles wirklich so unverblümt rüber, wie es in der ersten Spontaneität im Kopf entsteht? Leider nein, denn da wären vermutlich die schlimmsten Shitstorms nur so vorprogrammiert! Es gibt eine Selbstzensur im Hause Reitprecht, die allzu unbotmäßige Postings quasi im Keim erstickt. Und diese Reglementierung ist selbstverständlich, denn niemandes Ansehen soll geschmälert werden – das ist Ehrensache.
29.10.2015 „Sind Sie aus Liebe zu Büchern Bibliothekarin geworden?“ Lol! Nein, natürlich wegen des Geldes, des Ruhms und der Macht.
Zu diesem Posting werde ich gleich mal korrigiert – es kann sich dabei ja wohl nur um die Liebe zur Literatur handeln. „OK“, denke ich mir, „Wortklauberei ist eh auch mein Ding“. So ist das halt mit den GeisteswissenschafterInnen.
19.11.2014 „Lasst euch das Schicksal von Ernst Strasser eine Lehre sein: wer gegen das Gesetz verstößt, endet als Bibliothekar(in).“
Auch und gerade wenn sie, wie im Falle von Monika Reitprecht, sogar Geschichte und Politikwissenschaft studiert hat.
12.02.2016 „Vergesst nicht den schönen alten Brauch, wonach am Valentinstag KundInnen ihren BibliothekarInnen Schokolade und Blumen schenken. (Um Fragen vorzubeugen: wir nehmen das auch an den angrenzenden Tagen entgegen.)“
Qualität geht vor Quantität
Das ist die unbedingte Devise von Monika Reitprecht, nicht nur wenn es um ihre Schokolade-Affinität geht, die ich als kleines Dankeschön für unser Interview sehr gerne genährt habe. Und daher beschließe ich nun meinen Report mit einigen Veranstaltungstipps und Buchempfehlungen von der Meisterin höchstpersönlich:
tea for three Literarisches Kamingespräch
Sacha Batthyany liest aus „Und was hat das mit mir zu tun? Ein Verbrechen im März 1945. Die Geschichte meiner Familie“
Krisztina Toth „Aquarium“ Über das Leben im kommunistischen Budapest. Tragisch und sehr, sehr komisch.
William Faulkner „Licht im August“ Monika Reitprechts all time favorite – ein Klassiker, der moderner als viele zeitgenössische Romane ist. Faulkner bricht mit allen Klischees des amerikanischen „Heimatromans“ und gönnt den Lesenden keinerlei Gewissheiten.
Fazit: Ich denke, dass das Geheimnis hinter dem Erfolg der Social Media Auftritte der Büchereien Wien eigentlich gar keines ist. Mehr oder weniger: „Frisch und frei von der Leber weg.“, lautet die gelungene Devise.
Fotocredits + Text: Monika Reitprecht und Cornelia Feiertag