Studios.
Künstler findet man in Studios, gerade hier im Siebten. Fotografen arbeiten in ihren Studios. Es gibt Fotostudios, Filmstudios, Tonstudios, nicht nur am Rosenhügel, sondern auch in Neubau.
„Studio“ kommt aus dem lateinischen „studium„, was soviel wie Eifer, Mühe, Arbeit bedeutet. Und dass man sich in einem Tanzstudio abmüht, wo schweißtreibend trainiert wird, solange bis die Protagonisten die Choreographie perfekt beherrschen, daran wird niemand Zweifel hegen.
Studio bedeutet allerdings auch noch – in der Welt der Immobilien – eine sogenannte abgeschlossene Einzimmerwohnung, derer es ja heutzutage wieder mehr gibt, sogenannte „Singlewohnungen“. Früher nannte man diese Art von Wohnung „Garconniere“ oder „Bassenawohnung“, damals in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ein Meilenstein im Roten Wien, um den Wucherpreisen am Immobilienmarkt ein Ende zu setzen. Die Bassenawohnung war eine leistbare Wohnmöglichkeit für eine Arbeiterfamilie, das Wasser musste man aus der Bassena, einer kleinen Wasserentnahmestelle am Gang holen, Toiletten waren überhaupt mehreren Wohnungen zugeordnet.
Ein Spezialfall wäre nun ein kleines Tanzstudio in einer abgeschlossenen Einzimmerwohnung, am besten im Erdgeschoß.
Fotoserie von Lisa Großkopf
Die Künstlerin Lisa Großkopf widmet sich in ihrer aktuellen Fotoserie nun diesen kleinen „Studios“, die im Straßenbild kaum auffallen, aber doch eine charakteristische, immer wiederkehrende Bildsprache verwenden. Natürlich handelt es sich in diesen Fällen nicht um Tanzstudios im herkömmlichen Sinn, sondern um „Studios“, die in ihren abgeschlossenen vier Wänden der Kundschaft gegen Bezahlung sexuelle Befriedigung verschaffen.
In seltenen Fällen wird diese Dienstleistung nach außen eindeutig kommuniziert. „Studio“, „Studio71“ oder „Studio – Neuübernahme“ sind für Wissende eindeutige Hinweise, das blinkende Neon-Zusatzschild „Open“ ein Zeichen, dass die Betreiberinnen für Kundschaft bereit sind.
Meistens werden für diese Geschäftskonzepte Ladenlokale umgewandelt, die Auslagen werden nicht dazu verwendet, Ware zu präsentieren, sondern die Scheiben werden meist blickdicht verklebt, um die intime Dienstleistung gegen Einblicke abzuschirmen.
Dürfen bei „Open“ oder „Geöffnet“ alle hinein kommen?
Komischerweise werden diese „Open“-Schilder auch von anderen Geschäften verwendet, man sieht sie oft bei Handyshops oder Asia-Läden, und dort würde man ja auch nicht auf die Idee kommen, dass dort Sexarbeiterinnen im Dienst sind.
Was macht also dem Betrachter klar, dass es sich in diesen Fällen um kleine Bordelle handelt? Das Schmuddelige? Die unverbindlichen „Hinweisschilder“? Das auffällige unauffällige Geschäftsportal?
Vermutlich die nach wie vor beste Werbung am freien Markt: die Mundpropaganda:“Gestern ist wieder einer g’standen vor verschlossener Tür, und hat net reinkönnen. Wahrscheinlich hat’s grad einen Kunden g’habt.“
Die Fotoserie von Lisa Großkopf wird ab 2.Juni 2016 beim Kunstfrischmarkt Neubau präsentiert bei Schmidtschläger Beschläge und WauWau Pfeffermühlen.