Betritt man die Räumlichkeiten im ersten Stock der Schottenfeldgasse 63, könnte man sich durchaus in einer Fortsetzung aus „Zurück in die Zukunft Teil 7“ wähnen. Glaubt man.
Doch in Wirklichkeit überschreitet der Besucher die Schwelle zu einem alten Traditionsbetrieb: der Etui Manufaktur Fritz Fialka. Der Eingang in eine Welt, die geprägt ist vom Staub der Holzleisten, vom Lärm der Kreissäge, vom Wummern der Spindelpresse, vom Geruch des Knochenleims – dort, wo scheinbar alle Uhren angehalten haben.
Beim Öffnen der Brandschutztür im ersten Stock des Gründerzeithauses erschrickt der vermeintliche Eindringling zuerst einmal. Schrilles Klingeln, laut. Sehr laut. Hilfe, was ist jetzt los? Schnell muss man entscheiden: entweder hinein oder draußen bleiben. Auf alle Fälle die Tür schließen. Der Lärm verstummt.
Ist dieser Schock-Moment überwunden gilt es die zweite Hürde zu nehmen. Links geht es in die Werkstatt, allerdings mit dem Hinweis: Betreten verboten! Zurecht gestutzt und demütig wagt man sich nach rechts und gelangt ins Büro – und das, wo man doch in die Welt des Handwerksbetriebs wollte!
Aber Meister Fialka ist nicht weit entfernt, mit der Sekretärin muss der Besucher nicht lange verhandeln, schon tritt der Chef heran, mit strenger Miene- jetzt nichts Falsches sagen.
Wie zum Beispiel: „Sie machen ja Schachteln, ich brauch da eine für mein Besteck.“ Was dann folgt, beginnt mit leichtem Donnergrollen und endet mit gefauchten Worten: „Das sind keine Schachteln. Wir produzieren Etuis oder Kassetten.“ Punkt.
Als Unwissender wird man nun aufgeklärt, in durchaus versöhnlichem Ton, Schachteln sind aus Papier oder Karton. Ein Etui jedoch gehört zur Luxusklasse der Verpackungskunst. Viele Schritte sind nötig, um für ein Objekt – sei es Medaille, Orden, Schmuckstück oder gar silbernes Essbesteck – eine maßgefertigte Umhüllung zu bauen.
Zur Demonstration der einzelnen Arbeitsschritte öffnet Fritz Fialka nun die Tür zur Werkstatt. Und tatsächlich: der Eingang in eine vergangene Welt des Handwerks. Linker Hand befindet sich die Holzwerkstatt, dort werden die Holzleisten fachgerecht mit der Kreissäge zugeschnitten. Danach mit der Fräse gezinkt, verleimt und abgelängt. Erkennbar sind nun schon die Grundkörper der Etuis. Berge von kleinen Rähmchen türmen sich übereinander und warten auf Weiterverarbeitung.
Nun wird Oberseite und Boden mittels Karton verklebt, es sind kleine Kuben entstanden. Nachdem die Kanten entgratet und gerundet worden sind, wird der Rahmen wieder längsseitig aufgeschnitten, ein Teil ist nun der Unterteil des Etuis der andere der Oberteil.
Weiter geht es in den nächsten Raum der Werkstatt, wo ein unförmiger Kessel am Kochen ist. Und man will es nicht glauben, aber die Flüssigkeit, die darin blubbert, besteht aus Knochenleim. Da kommen Erinnerungen an Wolf Haas‘ Krimi „Der Knochenmann“, wo so allerlei Knochen verkocht werden, natürlich auch Menschenknochen. Aus China stamme der Leim, meint Fritz Fialka, was mich nicht wirklich beruhigt.
Nächster Schritt ist dann die Umhüllung der Holzrohlinge mit feinem Leder oder auch besonderem Papier, wo sich das Etuimacher Handwerk mit dem des Buchbinders kreuzen. Was die Papiersorten und Qualitäten angeht, ist das eine eigene Geschichte wert.
Noch lange ist kein Ende in Sicht. Scharnier und Verschluss gehört noch befestigt, da muss alles perfekt sitzen, damit das Etui bündig schließt.
Und zum Schluss darf natürlich nicht auf das Innenleben vergessen werden. Karton wird passgenau zugeschnitten, je nach Objekt dann auch in der Mitte eine Ausnehmung. Schließlich soll die Medaille im Etui nicht lustig herum kugeln sondern schonend Halt finden. Und damit sie weich liegt, sei ihr ein Bett aus Samt, Leder oder eventuell seidig glänzendem Stoff gemacht.
Nach diesem Rundgang ist eines sicher: eine andere Welt wie diese ist von Nöten, in der mit Ruhe und Sorgfalt handwerklich nach alter überlieferten Tradition gearbeitet wird. Eine Welt, wo Fingerfertigkeit, Maßgenauigkeit und Muße eine Rolle spielen. Und um genau diese Handwerkswelt mit der unsrigen zu verknüpfen, dazu seien die Designer, Architekten und Künstler aufgerufen. Meister der Etuimacherkunst, Fritz Fialka, hat immer ein offenes Ohr für Innovationen.