Unweit der Kandlgasse Nummer 29, wo eine Gedenktafel an den Zeichner, Maler und Illustrator Ernst Juch (1838 – 1909) erinnert, der vor allem für seine Satiren und Karikaturen in Erinnerung bleiben wird, lassen sich Szenen erleben – wie von Ernst Juch gezeichnet: Eine Vitrine. In der Vitrine – ein Schokokuchen. Vor dem Schokokuchen ein kleines Schild auf dem zu lesen steht: „Schokokuchen“. Vor der Vitrine mit dem Schildchen „Schokokuchen“ vor dem Schokokuchen eine Dame mit Anspruch. Sie deutet auf den Schokokuchen mit dem Schildchen „Schokokuchen“ davor und fragt in schneidendem Ton über die Vitrine hinweg: „Was ist da drin?“ Diese Frage ist zu Höherem berufen. Diese Frage eint uns. Sie ist Anklage und Urteil zugleich. Sie ist Ausweis unserer Kennerschaft und Ausdruck unseres Misstrauens, sie erhebt auch noch das kleinste und profanste Genießen in den Adelsstand der Unzufriedenheit. Diese Frage rauscht durch unsere Zeit und empört sich. Man ist schließlich nicht irgendwer, man ist empfindlich.
Nun ist Karl Farkas zwar leider schon im Jahre 1971 verstorben, aber weil er doch gerade um die Ecke, in der Neustiftgasse 67-69, mehr als zwanzig Jahre gewohnt hat, da darf einem beim Spaziergang durch die Gassen des 7ten Wiener Gemeindebezirks auch heute noch zuweilen der Wunsch überkommen, er möge um die Ecke biegen, vor einen hintreten und seine unvergessene Definition des Menschen (Saisonrückblick 1964) ins Gesicht schleudern: „Sie sind ein Loch in der Natur.“ Das wär’s.
Philipp Mosetter (*1956) lebt und arbeitet als freier Autor und Schauspieler in Wien und Frankfurt/Main. Er verfasst monatlich ein Kolumne über den 7ten im Falter.
up* – unpublished
Philipp Mosetter
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Foto: Bernhard Schramm
November 2015