Ferienzeit ist Reisezeit und Reisen bildet. Das ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass Reisen auch bilden sollte! Da herrscht oft großer Mangel und selbst eine ausgedehnte Fernreise hinterlässt lediglich ein paar digitale Aufnahmen seiner selbst auf dem Handy. Aber wie auch immer, die Zeit des dieser Art Sich-Bildens oder Sich-Abbildens neigt sich ohnehin langsam ihrem Ende zu. Dann kommt der (oder die) Reisende wieder nach Hause und fragt sich: Wo bin ich? Was für eine tiefschürfende Frage! Gerne möchte man ihm (oder ihr) zurufen: Zuhause. Aber dann schreckt man zumeist doch davor zurück, mit einem einzigen Wort die ganze schöne Erholung zunichte zu machen. Zumal ja gerade hier im 7ten sich großartige Menschen einst zuhause fühlten. Jenny Steiner beispielsweise. Jenny Steiner war eine großartige Frau, von tiefer Bildung und mit großem Kunstverstand, sie war wohlhabend und wirtschaftlich erfolgreich. Sie betrieb in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts eine der größten Seiden- und Stoffmanufakturen Wiens, in der Westbahnstraße Nummer 21, finanzierte für ihre Arbeiterinnen und Arbeiter Werkswohnungen, war als Kunstsammlerin und -mäzenin bekannt und einflussreich … Tja – und dann kam das Jahr 1938. In dem Moment stolpert einem Ecke Jenny Steiner-Weg/Lindengasse ein Pokémon Go-Spieler über die Füße, auf der Suche nach virtuellen Monstern. Aber, um noch einmal auf die Bildung zu sprechen zu kommen: Wer die Monster ruft, der wird sie nicht mehr los. (Frei nach Goethe zitiert)
Philipp Mosetter (*1956) lebt und arbeitet als freier Autor und Schauspieler in Wien und Frankfurt/Main. Er verfasst monatlich eine Kolumne über den 7ten im Falter.
up* – unpublished
Philipp Mosetter
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Fotocredit: Tsai-Ju Wu
Weiterlesen: Juli 2016