Als der Herr seine Schätze über die Welt verteilte, war es ihm wohl ein Anliegen, Ungerechtigkeit walten zu lassen. Denn wo er rund herum alles mit üppig wucherndem Grün, mit Wäldern, Wiesen und Gärten beschenkte, für das kleine Grätzel zwischen Kaiserstraße und Neubaugasse, zwischen Mariahilfer- und Lerchenfelderstraße hatte er nur mehr sehr, sehr wenig von dem schönen Grün übrig. Aber die Menschenkinder scherten sich nicht um des Herrn Willkür und so darf sich der kleine Flecken heute trotzdem als grün bezeichnen. Zwar kaum Grün, jedoch reichlich Grüne.
Nun hat dieser Tage die Grillsaison wieder begonnen, wird jedoch abermals unbemerkt, wegen zu wenig geeigneter Grünflächen, an diesem Bezirk vorüberziehen. Obwohl doch das Grillen gewissermaßen das Motto dieses Bezirks ist, schließlich steht seine Kirche, jene in der Westbahnstraße, unter dem Patrozinium des heiligen Laurentius – und der wurde ja bekanntlich im Jahre 258 auf einen eisernen Rost gebunden und über glühenden Kohlen gegrillt. Übrigens deshalb, weil er all das schöne Vermögen der Kirche an die Armen und Bedürftigen verteilte, um es nicht, wie gefordert, dem Präfekten des römischen Kaisers Valerian aushändigen zu müssen. So landete er also auf dem Grill. Heute heißt die Grillstation im Schatten des heiligen Laurentius „Berlin Döner“. Ja, das Grillen ist dem Bezirk fremd geworden, heute muss man schon mit der Bezeichnung „Berlin“ zum Fleische verlocken.
Für uns Heutige muss der Bioladen als Martyrium genügen.
Philipp Mosetter (*1956) lebt und arbeitet als freier Autor und Schauspieler in Wien und Frankfurt/Main. Er verfasst monatlich eine Kolumne über den 7ten im Falter.
up* – unpublished
Philipp Mosetter
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Foto: Bernhard Schramm