70 000 bis 80 000 Räder haben Wolfgang Leitner und sein Team schon repariert. Die ig fahrrad ist ein Urgestein der österreichischen Radszene, seit über vierzehn Jahren besteht das Fachgeschäft, doch Wolfgangs Wurzeln reichen weiter zurück. Ursprünglich kommt er aus der Raumplanung, neben dem Studium arbeitete er im Kuratorium für Verkehrssicherheit und widmete sich zunehmend dem Zweirad. Bereits damals schraubte er mit Freunden an defekten Modellen im Hinterhof, nahm an universitären Think Tanks teil und ersann Konzepte für die Integration des Fahrrads in den öffentlichen Raum. „Wir waren jung, frisch und haben Ideen eingebracht. Es war einfach der richtige Zeitpunkt.“ Mit ein paar Gleichgesinnten gründet Wolfgang die Interessensgemeinschaft Fahrrad und gibt Radsportlern in ganz Österreich zum ersten Mal eine Stimme im politischen Spektrum. Der Verein betreibt Lobbying, setzt sich für Sicherheit im Verkehr ein und bietet Hilfesuchenden eine Anlaufstelle. „Wir waren wie ein trockener Schwamm, der plötzlich Wasser abbekommt, da war eine Dynamik drinnen, unglaublich.“ Wolfgang lehnt neben der Kaffeemaschine, aus der Werkstatt dröhnt Techno, zwei Mechaniker bearbeiten ein Mountainbike. Sein Team ist ihm wichtig, das betont er mehrmals. Ohne seine Leute wäre die ig fahrrad nicht dort, wo sie heute steht.
Szenetreffpunkt und Veranstaltungsort
Im Jahr 2005 eröffnete Wolfgang mit seiner Frau den Store in der Westbahnstraße Nummer 28. Es war das erste Radgeschäft im siebten Bezirk. „Damals war Wüste, es gab einfach nichts.“ Der Andrang war groß, aus ganz Wien strömte die Kundschaft herbei, doch es ging nicht immer nur um Service und Verkauf. Allerlei Anfragen wurden an die ig fahrrad gerichtet. Unter anderem arbeitete Wolfang mit Kollegen im Auftrag der TU an umweltfreundlichen Tourismuskonzepten. Schon zu seinen Anfängen war der Verein auf der Straße unterwegs und hat Räder repariert und aufgepeppt, heute nennt sich die Initiative „Grüne Radrettung“. Die ig fahrrad ist mehr als nur ein Shop, hier trifft sich die Community, regelmäßig gibt es Veranstaltungen, Feste und Events. „Der Standort ist optimal.“ Wolfgang lobt den Zusammenhalt der Nachbarschaft, achtzig Prozent seiner Kundschaft stammen aus Neubau. Die ig fahrrad ist zwar bei weitem nicht mehr das einzige Fahrradgeschäft in der Gegend, aber das macht laut Wolfgang nichts. Die Stores spezialisieren sich, der Radsport ist mittlerweile derart weit gefächert, dass für jeden eine Nische übrigbleibt.
Vom Gebrauchtrad bis zum handgefertigten Luxusmodell
Wolfgangs Herzstück ist das Mountainbike. Joe Breezer, der das bergtaugliche Rad gemeinsam mit Gary Fisher, Charlie Kelly und Tom Ritchey entwickelt hat, kennt er persönlich. „Wir haben ihn nach Wien eingeladen, vielleicht kommt er mit seiner Familie vorbei.“ Breezer Bikes gibt es auch heute noch, die Kulträder können bei ig fahrrad erworben werden. Die Kundschaft legt Wert auf Marken, Wolfgang achtet auf ein vielfältiges Angebot. „Manche Leute kommen mit dem Gebrauchtrad vom Flohmarkt und wollen eine Reparatur, andere wollen ein handgefertigtes Chesini Bike.“ Es hat sich herumgesprochen, dass man bei dem Store mit der markant orangenen Fassade in guten Händen ist. Schließlich sollte man nicht in Klassen denken. Radfahrer sind Radfahrer, egal ob sie auf Luxusmodellen oder geerbten Klapprädern sitzen.
Bike-Sharing und nachbarschaftlicher Zusammenhalt
Mit der allgemeinen verkehrspolitischen Entwicklung ist Wolfgang zufrieden. Klar, es gebe immer Spielraum für Verbesserungen, aber die Richtung stimme. „Das Ganze ist eben ein Auf und Ab, Berg und Tal.“ Vor allem in Neubau könne man interessante Entwicklungen beobachten. „Man teilt gerne.“ Menschen versuchen, Ressourcen gemeinsam zu nutzen. Konzepte wie Bike-Sharing seien groß im Kommen, das merke man auch im Shop. „Das kann zum Beispiel ein Fotograf sein, der ein bestimmtes Modell für ein Shooting braucht und danach wieder vorbeibringt.“ Man hilft sich eben gegenseitig in der Nachbarschaft. Schließlich steht die Interessensgemeinschaft Fahrrad für Zusammenhalt und Freude am Radsport. Werte, mit denen sich die Szene auch in Zukunft identifizieren wird.
Fotos: Daniel Klingler