Das Internet hat sich von einem experimentellen Projekt des US-Verteidigungsministeriums zu einem fundamentalen Bestandteil unseres Daseins entwickelt. Eine wabernde, stetig wachsende Sphäre aus Nullen und Einsen, erhaben in ihrer schier unbegrenzten Weisheit. Vor ein paar Jahrhunderten hätte man derartige Allmacht in einem Schrein verehrt und mit Ziegenblut besänftigt, zum Glück leben wir allerdings in der Moderne und das Einzige, das wir dem Web opfern, ist unsere Zeit. Der freie Zugang zu Information eröffnet unglaubliche Möglichkeiten, Selbstverwirklichung war noch nie so einfach. Doch wie autonom ist das Netz tatsächlich? Wer auf der Suche nach wahrer Unabhängigkeit ist und „Do-it-yourself“ nicht nur aus der Hornbach Werbung kennt, möge sich glücklich schätzen. Hello World, wir dürfen vorstellen: Funkfeuer.
Einer für alle, alle für einen
Die Grundidee für das Projekt entstand 2003, erinnert sich Clemens Hopfer, der Obmann des Vereins. Es sollte ein unabhängiges Netz geschaffen werden, das niemanden ausschließt und auf einer horizontalen Hierarchie basiert. Jedes Mitglied hat den gleichen Stellenwert, alle tragen das Web, allen gehört das Web. Denn Netzneutralität geht Hand in Hand mit Netzqualität, bei Funkfeuer wird nicht gefiltert, priorisiert oder gesperrt. Eigenständigkeit bedeutet allerdings auch Eigenverantwortung. Als Teilnehmer ist man für die Wartung seines Knotens selbst zuständig, bei Problemen kann man eines der wöchentlich stattfindenden Montagstreffen besuchen, um sich Rat zu holen.
Über Knoten und „vermaschte“ Netze – Die Technik hinter Funkfeuer
Die technische Basis des Projekts ähnelt stark der Ideologie des Vereins. Ein „vermaschtes“ Netz besteht aus einzelnen Knoten, also Sende- und Empfangsstationen, die, sofern sie sich gegenseitig erreichen, miteinander in Verbindung stehen. Wenn ein Knoten defekt ist, erfolgt die Datenübertragung über einen alternativen benachbarten Knoten. Dadurch, dass die einzelnen Stationen nicht alle von einer zentralen Einheit abhängig sind, sondern mit möglichst vielen anderen Sende- und Empfangseinheiten kommunizieren, entsteht eine Eigendynamik und die Wahrscheinlichkeit von Systemausfällen wird minimiert. Je mehr Teilnehmer, desto stärker und stabiler wird das Netz. In Wien hat der Verein bereits zwischen 150 und 200 Mitglieder, einige davon auch im siebten Bezirk.
Wie kann ich Teil des Netzes werden?
Zum Mitmachen benötigt man ein Richtfunkgerät, ähnlich einer Satellitenschüssel, mit integriertem WLAN – Router und eine kulante Hausverwaltung. Die Kosten der Geräte machen durchschnittlich zwischen 60 und 90 Euro aus und liegen damit durchaus im leistbaren Bereich. Es gibt allerdings auch billigere Varianten, die schon um 35 Euro zu erwerben sind, allerdings über eine geringere Reichweite verfügen und somit weniger Stationen erreichen können, was wiederum zu einem geringeren Schutz vor Ausfällen führt. Und die Hausverwaltung? Nun, um optimale Ergebnisse zu erzielen, sollte das Gerät am Dach Ihres Hauses befestigt werden. Da mit Richtfunk gearbeitet wird, müssen sich die benachbarten Geräte „sehen“, sofern eine Verbindung hergestellt werden soll. Daraus folgt: Je höher, desto mehr Knoten können erreicht werden und desto stabiler ist die Verbindung. Sobald Sie Ihren Vermieter von Funkfeuer überzeugt haben, können Sie das frisch erworbene Richtfunkgerät bereits auf dem Dach Ihres Hauses anbringen. Dieser Arbeitsschritt ist auch für Laien durchführbar, falls es dennoch zu Komplikationen bei der Montage kommen sollte, empfiehlt Herr Hopfer das bereits erwähnte Montagstreffen. Und ehe Sie sich versehen, sind Sie in der Zukunft angelangt. Wie fühlt es sich an, unabhängig zu sein?
Fotos: Funkfeuer | Daniel Klingler