Wie Hans im Glück aus einer Not eine Tugend machte
Dies ist die Geschichte von Johann Georg Lahner, geboren am 13.08.1774 in Gasseldorf (in der sogenannten Fränkischen Schweiz), gestorben am 23. April 1845 in Wien, einem umtriebigen fränkischen Bauernbuben, der von daheim auszog, um der elterlichen Mittellosigkeit und der Aussichtslosigkeit der kleinbäuerlichen Umgebung zu entrinnen, und seinem Schicksal ein wahrlich meisterhaftes Schnippchen schlug.
Nach seiner Lehre als Fleischer in Frankfurt am Main ging Lahner schon bald auf Wanderschaft und kam als Ruderknecht auf der Donau – also ganz und gar nicht auf der sprichwörtlichen Nudelsuppe daher geschwommen – nach Wien.
Der, der Überlieferung nach gut aussehende, und offenbar auch vertrauenserweckende Geselle erhielt hier dann 1804 von einer vermögenden Dame der Wiener Gesellschaft ein Darlehen von 300 Gulden als Starthilfe für die von ihm angestrebte Selbstständigkeit.
Firmengründung in Wien Neubau
Damit gründete der zielstrebige Fleischermeister umgehend seine eigene Fleischselcherei in der Vorstadt Altlerchenfeld. Einer Zeitungsmeldung vom 15. Mai 1805 zufolge waren in Lahners Schaufenster Am Schottenfeld Nr. 274 (heute Neustiftgasse 112) dann schon bald ‚Merkwürdige Gebilde‘ zu sehen. Der Beginn der heutigen Frankfurter.
In Hommage an seine Lehrzeit nannte Lahner diese geschichtsträchtige Spezerei fortan „Original Wiener Lahner-Frankfurter Würstel“ – denn auch in der Mainmetropole gab es die Würstchen schon, jedoch ausschließlich aus grobem Schweinefleischbrät hergestellt.
Welch ein Glück also, dass Lahner sie in Wien herstellte: hier gab es diese strikte Trennung von Rind- und Schweinefleisch, an die sich der eifrige Fleischermeister in Frankfurt halten musste, in der Verarbeitung nicht.
Und seine Frankfurter konnten hierzulande auch dank der stärkeren Zerkleinerung der Zutaten wesentlich feiner hergestellt werden. Lahner war experimentierfreudig und mischte so die ideale Füllmasse aus beiderlei Fleischsorten für seinen mild geräucherten Saitling.
Stadtgespräch
Lahners Würstel wurden schon bald zum Stadtgespräch und traten ihren Siegeszug quer durch alle Bevölkerungsschichten an, recht bald waren sie sogar am Wiener Hof gefragt und heiß begehrt. Kaiser Franz I. erklärte die Würstel nach einer Verkostung sogar als seine Leibspeise. Diese Tatsache machte die Würstel sofort zum Verkaufsschlager.
Auch Adalbert Stifter war ein großer Liebhaber und ließ sich die Frankfurter sogar via Postkutsche ins 180 km entfernte Linz liefern – zwecks der Haltbarkeit leider ausschließlich im Winter.
Aufgrund der großen Nachfrage und Expansion übersiedelte das Unternehmen 1832 in die Liegenschaft Am Schottenfeld 54.
Lahners Ehe mit der Österreicherin Anna Resler entstammten vier Söhne, 1842 erhielt der gebürtige Franke das Wiener Bürgerrecht. Kurz nach Übergabe des Betriebs an seinen Sohn Franz starb Johann Georg Lahner im Jahr 1845. Sein Grab am Wiener Zentralfriedhof wurde 1975 eingeebnet.
Die Gedenktafel
Eine Gedenktafel Ecke Kaiserstraße/Neustiftgasse erinnert noch heute an den genialen Wiener Fleischermeister deutscher Herkunft, der von daheim auszog, um aller Herren Länder auf den guten Geschmack zu bringen.
Und auch der Familienbetrieb war trotz der rasanten, großartigen Furore dem Untergang geweiht – 1967 musste der Wiener Traditionsbetrieb mangels Nachkommen seinen Betrieb einstellen. Sehr wahrscheinlich hat aber auch die Massenproduktion der Mitbewerber in den vielen neuen Fleischwarenfabriken dieser beispielhaften Erfolgsgeschichte den Garaus gemacht.
Alt-Wiener Lahner Würstel
Wer sich auf eine kulinarische Zeitreise begeben möchte, kann dies mit einer Portion Alt-Wiener Lahner Würstel machen. Der Koch und Buchautor Gerd Wolfgang Sievers wuchs am Schottenfeld auf und durfte als Kind noch die Lahner Würstel kosten, wenn auch nicht mehr die ganz ursprünglichen.
Das Original-Rezept wurde vor sieben Jahren von Lahners Nachfahren an Gerd Wolfgang Sievers überreicht. Mit diesem rekonstruierte Gerd Wolfgang Sievers gemeinsam mit Stefan Windisch von der Windisch Fleischerei (hier entstehen übrigens auch die Originalen Sacher Würstel) in Wiener Neustadt die Ur Frankfurter.
Dabei achteten sie auf der einen Seite auf den originalen Geschmack und auf der anderen Seite darauf, dass sie dem modernen Gaumen ebenso munden. Unter dem Namen Alt-Wiener Lahner Würstel kann man sie nun verspeisen.
Die Alt-Wiener Lahner Würstel bekommen wir sowohl bei der Fleischerei Windisch in der Lederergasse 13 in Wiener Neustadt zum Abholen (auch im Online-Shop zu kaufen) und in Georg Leitenbauers Feinkostgeschäft „Leitenbauer“ in der Neubaugasse 71, 1070 Wien. Georg Leitenbauer eröffnete sein Delikatessengeschäft letztes Jahr und versteht es, die feinsten Wurstspezialitäten in den 7. Bezirk zu bringen. Die Lahner Würstel finden wir hier täglich frisch gebrüht, mit Wiener Spezialsenf von Ramsa-Wolf, frisch gerissenem Kren, Brot vom Drexel Brothandwerk und einem gepflegtem Bier von Stiegl-Gut Wildshut. (Natürlich auch zum Mitnehmen Mo–Fr: 11–19 und Samstag: 10–14 Uhr.)
Fazit: Ob also nun als glorreiches Paar genossen oder doch einzeln mit anderen wohlwollend geteilt, mit einer reschen Semmel oder doch im Teigmantel, wie sie heutzutage in Wien immer noch umhüllt werden und der Renner auf jedem Kindergeburtstagsfest sind, mit Senf oder Ketchup oder doch Mayonnaise – unsere guten alten Frankfurter Würsteln (oder Wiener Würstchen, wie sie außerhalb von Österreich genannt werden) sind und bleiben in unser aller Munde.
Sagt uns gerne auf Instagram oder Facebook, welche Version der Frankfurter ihr am liebsten esst. Die heutigen oder das Ur Frankfurter, das Alt-Wiener Lahner Würstel.
Weltreise der Frankfurter
Von Wien ausgehend traten die Frankfurter dann ihren variantenreichen Siegeszug um die ganze Welt an:
1842 Produktionsstart in Mailand
1861 Produktionsstart in Amsterdam
1865 Erzeugung in Linz – Stifters offenbar florierender Würsteltransport wurde nun obsolet
1855 Präsentation und Verkauf auf der Pariser Weltausstellung
1893 Weltausstellung in Chicago
1905 Erstmalige Herstellung der „Würstel im Schlafrock“ – einer Butterteighülle mit knackiger Fülle – von Leopold Lahner, einem Urenkel des Firmengründers
Beitragsfoto: Windisch Fleischerei. Text: Cornelia Feiertag mit Änderungen der im7ten-Redaktion im Februar 2024