Helfen und helfen lassen – nachbarschaftlicher Zusammenhalt und Vernetzung sind im 7. Bezirk gelebte Realität. Ein virtueller Lokalaugenschein beim sozialsten Netzwerk der Welt.
Die Bezeichnung Großstadtdschungel kommt nicht von ungefähr – in großen Gebäudekomplexen leben Menschen Tür an Tür, ohne dass die Namen an der Gegensprechanlage mit den dazugehörigen Gesichtern verbunden werden können. Wer etwas braucht, muss hoffen, dass Familie, Freude oder das eigene Glück ihm wohlgesonnen sind, dabei liegt das Gute oft so nahe, denn gute Nachbarn sind das Beste, was uns im Alltag passieren kann.
Gedanken wie diese waren es, die Stefan Theißbacher, Andreas Förster, Mathias Müller und Valentin Schmiedleitner zur Gründung eines außergewöhnlichen Projektes bewogen. Mittlerweile werden sie von Angela Lau unterstützt. Gemeinsam formen sie das Team der Nachbarschaftsplattform FragNebenan. Hier können Nachbarn miteinander kommunizieren, sich effizient organisieren und haben Zugriff auf Wissen und Ressourcen aus ihrem Grätzl, wodurch nachbarschaftliche Strukturen aufgebaut und gestärkt werden.
FragNebenan-Gründungsteam v. l. n. r.: Valentin Schmiedleitner, Mathias Müller, Stefan Theißbacher und Andreas Förster, Foto: Helena Wimmer
So funktioniert´s
FragNebenan funktioniert denkbar einfach: Man registriert sich rasch und kostenfrei mit Name und Adresse auf der Plattform, legt sich im Bedarfsfall einen anonymisierten Benutzernamen an und vernetzt sich mit den Anrainern im 750-Meter-Radius um die eigenen vier Wände. Datensicherheit steht dabei an oberster Stelle – so sehen Benutzer in der Standardeinstellung nie die exakte Adresse eines anderen Users, sondern lediglich die Entfernung des jeweiligen Nachbarn in 100-Meter-Sprüngen. Registrierte Mitbewohner des eigenen Hauses werden hervorgehoben angezeigt.
Um sicherzustellen, dass sich nur „echte“ Nachbarn am Austausch beteiligen, erfolgt eine Verifizierung der Accounts mittels unkomplizierter Adressbestätigung. Sobald die Prüfung erfolgt ist, kann der User die Funktionen der Plattform voll nutzen und sich – je nach eigener Kapazität – mit seinen Fertigkeiten und Interessen in die Nachbarschaft einbringen.
Der 7. Bezirk machte den Anfang
Im Mai 2014 startete die Plattform zunächst am Neubau, wo sich zu dem Zeitpunkt das Büro des Jungunternehmens befand. Nach Abschluss der Pilotphase, wurde das Nachbarschaftsnetzwerk im Jänner 2015 auf ganz Wien ausgeweitet. Heuer sollen weitere Großstädte in Österreich und Deutschland folgen.
Die Plattform zählt im 7. Bezirk derzeit 1.019 Nachbarinnen und Nachbarn, die sich anbieten anderen Bewohnern unter die Arme zu greifen: Ganz oben rangiert die Bereitschaft im Urlaub nach dem Rechten zu sehen und beispielsweise den Postkasten zu leeren. Mehr als ein Drittel aller User sind bereit älteren und erkrankten Nachbarn bei Besorgungen auszuhelfen (z. B.: Einkäufe tragen, zur Apotheke gehen …) oder Pakete anzunehmen. Ein Viertel kann sich vorstellen Haustiere zu betreuen, im Kampf mit der Technik bei Computer- oder Handy-Fragen auszurücken und kurz auf die Nachbarskinder zu schauen. Melden kann sich auch, wer Werkzeug oder Haushaltsgeräte zu verleihen hat, den Kindern gelegentlich etwas bei schulischen Fragen erklären, bei kleineren Reparaturen aushelfen oder einen Nachbarn mit dem Auto mitnehmen könnte.
Stefan Theißbacher, Geschäftsführer und Gründer von FragNebenan, attestiert dem 7. Bezirk ein hohes, nachbarschaftliches Hilfspotential und spricht von den „aktivsten Nachbarn“ – mit eigenen Spielenachmittagen, Eltern-Kind-Gruppen und Grätzltreffen, die sich die engagierten 7er-Leute in Eigenregie organisieren. Die 1.019 angelegten Accounts verteilen sich auf 17.408 Haushalte (Quelle: wien.gv.at | MA 23 – Wiener Bevölkerungsregister), was einem Anteil von 6% entspricht.
Das sozialste Netzwerk der Welt
Die Plattform fördert jedoch nicht nur gegenseitige Unterstützung im Alltag, sondern wirkt sich auch positiv auf soziale, persönliche und ökologische Aspekte aus.
Wer sich registriert, kann den Nachbarn persönliche Interessen bekanntgeben und sich so mit Gleichgesinnten verbinden: Ein Drittel aller am Neubau Wohnenden interessieren sich dafür ihr Grätzl zu erkunden. Gemeinsam Sport zu machen, etwas im Grätzl zu organisieren, zu Gartln oder Gesellschaftspiele zu spielen stehen im Ranking ebenfalls weit oben. Kleinanzeigen, Empfehlungen oder das Weitergeben von Lebensmitteln, die man beispielsweise wegen eines bevorstehenden Urlaubs nicht mehr aufbrauchen kann, sind nur einige der Themen, die auf der Plattform besprochen werden. FragNebenan gibt auch all jenen eine Stimme, die neu im Grätzl sind, sich auf diesem Weg mit der Nachbarschaft vertraut machen und so Anschluss suchen. Hier findet man also nicht zuletzt Hilfe zur Selbsthilfe gegen urbane Isolation und die Welt wird wieder zum sprichwörtlichen Dorf.
Seinen ganz persönlichen Grätzl-Tipp gibt FragNebenan-Geschäftsführer Stefan Theißbacher den im7ten.com-Lesern auch noch mit: Zuerst bei La Pausa, Neubaugasse 65, ein Stück Pizza genießen und anschließend im Café Espresso, Burggasse 57, das auch von Stadtbekannt und Die Frühstückerinnen Top-Bewertungen bekommen hat, die Gedanken baumeln lassen oder an aktuellen Projekten feilen.
Infos zu FragNebenan:
FragNebenan will die Online-Infrastruktur des Ökosystems Nachbarschaft werden. Im Zentrum stehen die Nachbarn, um die herum alle anderen Akteure schrittweise eingebunden werden – den Anfang machen Hausverwaltungen. Lokale Unternehmen und die öffentliche Hand werden folgen.
Aktuell sind 26.700 Nachbarn registriert, täglich kommen etwa siebzig weitere dazu. Pro Tag werden mehr als hundert Fragen gestellt. Das reicht von „Wer kann mir eine Leiter zum Ausmalen borgen?“, „Kennt jemand einen guten Hausarzt im Grätzl?“, „Hat jemand Lust auf einen Spaziergang?“ bis hin zu „Wer würde noch gerne einen Radweg in unserer Straße haben?“ – jede Frage bekommt durchschnittlich 3,3 Antworten, wodurch Probleme gelöst und der Alltag erleichtert wird. Zusätzlich dazu wird in über 200 Gruppen fleißig über Allfälliges ausgetauscht.
www.fragnebenan.com
Fotos & Copyright: Helena Wimmer