Female Rolemodels – Unternehmerinnen, die ihren Weg gehen

Weibliche Unternehmerinnen aus dem 7. Bezirk.

Wir haben den Internationalen Frauentag am 8. März zum Anlass genommen, uns bei einigen Unternehmerinnen aus dem 7. Bezirk umzuhören. Was beschäftigt sie? Was motiviert sie? Was verbindet sie?

Hard Facts

Rund 44 % aller selbstständig Erwerbstätigen in Österreich – also fast die Hälfte – sind Frauen. Frauen bevorzugen als Rechtsform eher Einzelunternehmen und gründen im Vergleich mit Männern seltener eine GmbH. Spannend ist auch, dass Frauen eher Branchen mit niedrigeren Umsätzen und Gewinnspannen wählen und im Vergleich um ein Drittel weniger Einkünfte erzielten als selbstständig erwerbstätige Männer.

Als Herausforderungen, denen sich besonders weibliche Selbstständige stellen müssen, gelten laut AMS (zur Quelle) beispielsweise die ungleiche Verteilung der Care-Arbeit innerhalb des Familienverbandes, der erschwerte Zugang zu Finanzierungsquellen und das Fehlen von Vorbildern im Bereich Unternehmerinnentum. Letzteres werden wir heute ändern.

Vom Arbeitstitel zur Geschichte

Bei der Erstellung des im7ten-Redaktionsplans für dieses Jahr notierte ich „Frauengeführte Unternehmen im 7. Bezirk“ als Arbeitstitel – ein Thema, dem wir uns hier noch nie gewidmet haben; und das, obwohl wir in der Redaktion seit vielen Jahren ein Team aus meist selbstständig erwerbstätigen Frauen sind … oder vielleicht gerade deshalb?! Die Angst, den umgekehrten Bias unterstellt zu bekommen, ist gegeben. Ich beschließe, die Richtung des Blogposts nicht vorzugeben, sondern mich von den Unternehmerinnen des 7. Bezirks führen zu lassen.

Wenige Tage später treffen sich die Mitglieder der IG der Kaufleute am Neubau zur Mitgliederversammlung. Es wird auf die Events des letzten Jahres zurückgeschaut und ein Ausblick auf Kommendes gegeben – die Flaniermärkte in der Neubaugasse, die Halloween-Mitmachaktion im ganzen Bezirk, die Wirksamkeit gemeinsamer Kommunikationsmaßnahmen, interne Highlights und Entwicklungen werden besprochen. Danach wird genetzwerkt – das fancy Wort für zielgerichtetes Plaudern – und das ist auch, was ich vorhabe. Mit meinem Arbeitstitel „Frauengeführte Unternehmen“ auf dem Block gehe ich auf einige Unternehmerinnen zu und lasse mich von ihren Blickwinkeln und Geschichten überraschen. Was erzählen sie mir, wenn ich das Gespräch damit beginne, dass wir anlässlich des Weltfrauentags einen Blogpost über frauengeführte Unternehmen planen?

Größe muss man haben

„Bonbons Neubaugasse war immer ein Frauenbetrieb“, stellt Michaela Dürnberger fest und umreißt die Anfangsjahre des Geschäfts. 1936 legte Rosa Breithuber das Fundament des Süßwarenladens. „Ihr Mann ist im Krieg gefallen und so ist diese Alleinerzieherin und Mutter von zwei Kindern immer alleine hier gewesen und hat dieses Geschäft geschupft“, fährt die jetzige Besitzerin anerkennend fort, „was Editha und besonders ihre Mutter davor geleistet haben, war enorm. Reine Frauenpower.“ Rosa Breithuber war eine Unternehmerin mit Leib und Seele und gab diese Leidenschaft auch an ihre Tochter Editha weiter.
Seit sie 16 Jahre alt war und bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2002 stand Editha Breithuber-Hlavacek tagtäglich im Shop, den ihre Mutter mit viel Liebe aufgebaut hatte.

Die Suche nach einer geeigneten Nachfolge, die die Tradition des Zuckerlgeschäfts als ein Stück Wiener Geschichte weiterführen würde, beantwortete sich mit der heutigen Geschäftsführerin Michaela Dürnberger, die damals gerade einmal 22 Jahre alt war.

Michaela Rosenauer (geb. Dürnberger) führt Bonbons in der Neubaugasse 18, 1070 Wien, seit 2002. Foto: © Michaela Krauss-Boneau
Michaela Rosenauer (geb. Dürnberger) führt Bonbons in der Neubaugasse 18, 1070 Wien, seit 2002. Foto: © Michaela Krauss-Boneau

Ein Jahr lang ließen sich Michaela und Editha für die Übergabe Zeit und arbeiteten Seite an Seite. „Sie hat mich nie kritisiert, nie gesagt, ,Mach das so oder so‘, sondern hat mich machen lassen“, erzählt Michaela Dürnberger, die als Urenkelin des Gründers von Jonny Schokolade selbst aus einer Unternehmerfamilie kommt. Sie hält den Atem an, ich schaue von meinem Notizblock auf und als sich unsere Blicke treffen, sagt sie: „Diese Größe muss man haben!“ Sie hält eine bedeutende Pause, bevor sie fortfährt: „Sich zurückzunehmen, in dem Geschäft, das man ewig geführt hat, und die Jungen machen zu lassen.“ Dann spricht Michaela Dürnberger von den alltäglichen Herausforderungen des Unternehmer*innentums und beschreibt Einzelhandelshighlights wie den Besuch von alteingesessener Stammkundschaft, bevor sie resümiert: „Es hat Spaß gemacht, in so große Fußstapfen zu treten.“

Da ist sie, …

… meine Geschichte. Es sind die kleinen Dinge, über die ich erzählen will, keine gläsernen Decken, kein Gender Pay Gap, keine Überwindung von Stutenbissigkeit, keine Geschlechterkämpfe. Ich will nicht das erzählen, woran wir politisch noch arbeiten müssen, sondern das, was wir schon geschafft haben – als Gesellschaft, als Frauen untereinander und auch mit uns selbst, denn ein Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die folgenden Gespräche: Wie wichtig das eigene Selbstbild als Unternehmerin, als Mensch und als Frau ist.

Von der Angst, etwas wegzunehmen, hin zur eigenen Wertschätzung

„Mut zur Präsenz“ ist ein Thema, dem die studierte Psychologin Brigitte Schlegel, die als qualifizierte Praktikerin der Grinberg-Methode® und Somatic Experiencing Practitioner im 7. Bezirk arbeitet, in ihrem Job laufend begegnet. „Oft ist es so, dass wir uns fürchten, den Mund aufzumachen, weil wir niemandem etwas wegnehmen wollen, und dabei verlieren wir aus den Augen, dass wir eben etwas zur Verfügung stellen, etwas Wichtiges zu geben haben.“

Ich fühle mich ertappt. Erinnert ihr euch an meine Einleitung „Vom Arbeitstitel zur Geschichte“ und an die Angst vor dem umgekehrten Bias? Wo war mein Mut zur Präsenz? Nicht für mich, sondern in meiner Funktion als Gatekeeperin. Den Mut, Frauen in den Mittelpunkt einer Geschichte zu stellen?

An diesem Mut zur Präsenz, der Hand in Hand mit der Stärkung eines positiven Selbstbildes und der Fähigkeit, sich abzugrenzen, geht, arbeitet die Grinberg-Praktikerin nicht nur mit vielen ihrer Klientinnen. Auch für sich als Frau und Unternehmerin merkt sie, dass dieser Lernprozess ein langer und spannender ist, auf dessen Weg Menschen – aber insbesondere Frauen – ihre Fähigkeiten ausbauen, (Selbst-)Vertrauen und in weiterer Folge Kompetenz auszustrahlen.

Brigitte Schlegel ist Grinberg-Praktikerin® und Somatic Experiencing Practicioner. Foto: © Michaela Krauss-Boneau
Brigitte Schlegel ist qualifizierte Praktikerin der Grinberg-Methode® und Somatic Experiencing Practicioner. Foto: © Michaela Krauss-Boneau

Überwindung des binären Denkens

Einen weiteren interessanten Punkt spricht Astrid De Montis an, die einen Shop mit ausgewählten Wohnaccessoires für außergewöhnliche Tischkultur führt: das weitverbreitete Klammern an Geschlechterrollen und Stereotypen. Frauen würden eher weibliche, heilende und sanierende Aspekte zugeschrieben, während man Männern Machtstreben und destruktive Kraft attestieren würde, denkt Astrid De Montis nach. „Ich bin dabei, mich von dem binären Denken zu lösen“, sagt die Unternehmerin, die seit vielen Jahren als Aktivistin beim Netzwerk Frauenrechte bei Amnesty Österreich tätig ist. „Ich wünsche mir, dass wir die gesellschaftlichen Verfestigungen zu Geschlechterrollen aufbrechen. Das birgt befreiendes Potenzial für alle Menschen.“

Astrid und Fabrizio De Montis in ihrem farbenfrohen Shop in der Lindengasse 16, 1070 Wien.
Astrid und Fabrizio De Montis in ihrem farbenfrohen Shop in der Lindengasse 16, 1070 Wien, Foto: © Michaela Krauss-Boneau

Jung, weiblich und kompetent

Alexandra Vaduva ist Gründerin von EPD Market, einem Vintageshop im Herzen des 7. Bezirks, der in einem ehemaligen Supermarkt untergebracht ist. Randnotiz: Die Unternehmerin hat sich im Rahmen ihrer Masterarbeit am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Uni Wien mit dem Thema Geschlechterdiskriminierung in der Musikindustrie beschäftigt.

„Dass Frauen – insbesondere junge Frauen – ein Unternehmen leiten, ist immer noch nicht selbstverständlich“, bemerkt sie in unserem Gespräch mit leichtem Schulterzucken. Ein Problem ist es für sie aber nicht, wenn das hie und da Erstaunen in ihrem Gegenüber auslöst.

Alexandra kann aus erster Hand erzählen, wie man einen erfolgreichen Secondhand-Shop gründet.
Alexandra kann aus erster Hand erzählen, wie man einen erfolgreichen Secondhand-Shop gründet. Foto: © Michaela Krauss-Boneau

Ohne Klischees in die Zukunft

Diese Gelassenheit bringt auch Katharina Gerlinger mit. Sie leitet die Wiener Niederlassung des familiengeführten Fachbetriebs für orthopädische Einlagen und darauf abgestimmtes Schuhwerk. Auf die Frage, ob manchmal Menschen ins Geschäft kommen und den Chef sprechen wollen, antwortet sie, dass solche Fälle durchaus passieren. Vor allem Männer seien überrascht, wenn dann eine junge Frau vor ihnen steht. Sie selbst hat damit kein Problem, ist nicht auf den Mund gefallen und entwaffnet vor allem mit Kompetenz. „2025 sollten wir eigentlich nicht mehr in Klischees denken und das Schwarz-Weiß-Denken ablegen“, zeichnet Katharina Gerlinger den Weg in Richtung Zukunft vor.
Eine Vorreiterin ist auch ihre Schwester Theresa Forster-Gerlinger, die seit Herbst 2024 die erste Frau im Vorstand des Österreichischen Zentralverbandes für Orthopädie-Schuhtechnik sitzt.

Katharina Gerlinger leitet die Wiener Niederlassung von Gerlinger Schuhe & Orthopädie in 1070 Wien.
Katharina Gerlinger leitet die Wiener Niederlassung von Gerlinger Schuhe & Orthopädie in 1070 Wien. Foto: bereitgestellt

Wenn alle das machen, was sie am besten können

Eine wahre Pionierin steht an diesem Netzwerkabend noch in der Gestalt von Füsun Ecevit vor mir. 1988 gründete sie einen der ersten türkisch geführten Frisörsalons in Wien, den sie auch vier Jahrzehnte später noch erfolgreich und am Puls der Zeit führt. Sie prüft, analysiert und passt gegebenenfalls an – das Produktangebot, die Schnitte, die zeitliche Flexibilität ihres Teams und auch ihren Umgang mit dem gesellschaftlich-kulturellen Anspruch an sie. Sie spricht mit einem großen Selbstverständnis über die Selbstständigkeit. Heute. Sie lässt mich aber auch in ihre Entwicklung blicken, indem sie sich an Zeiten erinnert, in denen sich die Balance zwischen Beruf und Familie nicht so leicht finden ließ. In Momenten, in denen sich Verunsicherung in ihr bemerkbar machte, bestärkte sie ihr Mann: „Er hat zu mir gesagt, dass es für die Kinderbetreuung auch Fachleute gibt und ich nicht alles selbst machen muss. Jeder macht, was er am besten kann. Man darf auch bewusst Hilfe annehmen, und wenn ein Kind mal krank ist, gibt’s auch einen Papa“, lacht sie, schüttelt dabei ihre blonden Locken, als würde sie sich mit dem Schütteln auch eines hartnäckigen gesellschaftlichen Rollenbildes entledigen, das sie für sich selbst schon lange abgelegt hat und es auch anderen Unternehmerinnen (in spe) von den Schultern nehmen möchte. Dann resümiert sie die Vereinbarkeit mit den Worten: „Es ist Einteilungssache! Wenn du eine glückliche Mama hast, hast du auch ein glückliches Kind.“

Füsun Ecevit leitet HauptSache in der Neubaugasse 9, 1070 Wien
Füsun Ecevit gründete HauptSache 1988. Ihre offene, ehrliche und fröhliche Art sorgt dafür, dass man sich schnell in guten Händen weiß. Foto: bereitgestellt

Selbstständig, selbstbewusst, selbstbestimmt – Unternehmerinnen brechen Rollenbilder auf

Die Gespräche mit Astrid, Michaela, Brigitte, Katharina, Alexandra und Füsun klingen einige Tage in mir nach. Obwohl ich bewusst mit losem Themenschwerpunkt an die Sache herangegangen bin, ist keines der Gespräche in die von mir erwartete Richtung gegangen. Keine feministischen Brandreden, keine umfassende Gesellschaftskritik, kein Wort über geschlechtsspezifische Diskriminierung, keine Resignation. Ich bin mir sicher, dass ich mir mit den entsprechenden Fragen „Sager“ zu diesen Aspekten abholen hätte können. Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch irgendwann im Leben negative Erfahrungen im Hinblick auf die Geschlechtszugehörigkeit macht.

Aber das ist nicht das Hauptthema, das diese Unternehmerinnen beschäftigt. Sie bleiben bei sich. Diese Frauen verkörpern weibliche Vorbilder, ohne sich selbst zwangsläufig als solche zu sehen – vielleicht gerade, weil sie sich nicht über ihr Geschlecht definieren (lassen wollen). Ihr Fokus liegt auf Kompetenz, Leistung und Unabhängigkeit, nicht darauf, ein „Statement“ für Frauen in der Wirtschaft zu sein. Und dennoch sind sie es.

Sie brechen unbewusst mit tradierten Erwartungen:

  • Sie hinterfragen Rollenbilder, aber nicht immer aktiv – sie leben einfach eine Alternative.
  • Sie zweifeln durchaus mal an sich, aber handeln trotzdem. Das macht sie besonders nahbar und authentisch.
  • Sie wollen für ihre fachliche Qualifikation und ihre Sozialkompetenz gesehen und geschätzt werden, nicht als Frauen, die sich in der Wirtschaftswelt behaupten müssen.
  • Sie formulieren kein feministisches Manifest und sind doch feministisch.

Weibliche Vorbilder ohne Heldinnenpose

Die Essenz dieser Geschichten ist, dass diese Unternehmerinnen Vorbilder sind, weil sie zeigen, dass Erfolg und Selbstzweifel nebeneinander existieren können. Dass Frauen nicht über ihre Weiblichkeit definiert werden sollten, sondern über das, was sie tun. Und dass echte Vorbilder diejenigen sind, die beharrlich ihren Weg gehen.
Das Wort „Feminismus“ fällt dabei kaum. Nicht, weil diese Frauen nicht feministisch denken, sondern weil sie nicht in dieser Kategorie argumentieren. Sie leben das, was Feminismus erreichen will – Gleichberechtigung in der Praxis.

Fotocredits

Fotos aus dem Titelbild:
Bonbons/Michaela Dürnberger, selbstseinlernen.at/Brigitte Schlegel, EPD Market/Alexandra Vaduva, DE MONTIS/Astrid De Montis: © Michaela Krauss-Boneau
Foto Hauptsache/Füsun Ecevit: bereitgestellt
Foto Gerlinger Schuhe & Orthopädie/Katharina Gerlinger: bereitgestellt

Sneak Peek: Nächste Woche Donnerstag stellen wir euch über 30 frauengeführte Unternehmen aus dem 7. Bezirk vor!

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