… oder wussten Sie, dass Klimt in der Westbahnstraße gewohnt hat?
Wenn ich den Kopf frei bekommen möchte, spaziere ich einfach drauf los. Ich gehe dann dahin, wohin mich der Wind treibt, immer der Nase nach. Mein letzter Entspannungsspaziergang hat mich in den 7. geführt – wahrscheinlich wollte ich doch noch ein bisschen Inspiration zum Schreiben finden. Und tatsächlich habe ich etwas Neues entdeckt. Mitten auf der Westbahnstraße steht doch glatt ein Stückchen Kulturgeschichte. Ich rede von dem Haus mit der Nummer 36, das Haus, in dem Gustav Klimt die letzten Jahre seines Lebens verbracht hat, 1898 -1918.
Bisher bin ich immer daran vorbei gelaufen. Zu meiner Verteidigung, das Haus selbst schaut eher unscheinbar aus und die goldene, bei näherer Betrachtung doch recht aufwändig gestaltete Gedenktafel befindet sich schon außerhalb der Augenhöhe.
Der Verein „Gedenkstätte Gustav Klimt“ sowie die „Österreichische Gesellschaft für Denkmal- und Ortsbildpflege“ haben dem Künstler dieses Andenken gewidmet.
Auf www.austria-forum.org erfahre ich, dass Klimt vor dieser Wohnung auch schon in der Stuckgasse 6 gewohnt hat, und davor auf der Mariahilferstraße 75. Er scheint wohl genau wie ich ein Faible für diese Gegend gehabt zu haben.
Und dann wird es mir erst bewusst: vor etwas mehr als hundert Jahren hat dieser weltbekannte Künstler am selben Fleck wie ich gestanden. Wahrscheinlich ist er, durch den Wohnort bedingt, sicherlich mehrmals die Woche die Westbahnstraße auf und ab spaziert.
Mittlerweile schaut ja alles anders aus als um die Jahrhundertwende. Zeit ist vergangen. Schaut man auf die gegenüberliegende Straßenseite, fällt der Blick sofort auf ein graues Apartmenthaus, das direkt aus den 70ern entsprungen zu sein scheint. Nein, ich stelle mir die damalige Alltagsaussicht anders vor: wirft man einen Blick auf Fotografien und Postkarten aus der Zeit fällt einem sofort auf, wie wenig Autos auf den Straßen sind. Man sieht auch mehr vom Himmel, da die meisten Häuser nicht höher als drei Stockwerke sind. Es gibt zwar schon Straßenlaternen, jedoch hängen sie nicht über der Straße sondern stehen vereinzelt am Rand, wodurch auch die vielen Kabel, die über unseren Köpfen verlaufen, wegfallen. Etwas hat sich jedoch gehalten – die elektrische Straßenbahn. Ihre Schienen sind schon damals auf der Westbahnstraße genau da verlaufen, wo auch heute noch der 49er seine Runden dreht.
Klimt schafft 1907, also während er im 3. Stock der Nr.36 wohnt, sein wohl bekanntestes Werk – das Gemälde der Kuss. Es gilt heute als eine der Ikonen des Wiener Jugendstils und wurde 1908 von dem heutigen Belvedere gekauft. (alles nachzulesen auf www.klimt.at) Am 11.Jänner 1918 erleidet Gustav Klimt in seiner Wohnung einen Schlaganfall, an dessen Folgen er am 6. Februar im Allgemeinen Krankenhaus stirbt.
Wie schon so oft wünsche ich mir, dass Steine reden könnten. Ich würde mich gerne mit dem Haus selbst unterhalten, hören, welche Geheimnisse die zartgrüne Fassade vor mir verbirgt. Die Umgebung, die ich als alltäglich empfinde, ist eigentlich der größte Zeitzeuge.