Ich weiß gar nicht, was ich Ihnen zuerst erzählen soll, denn ich sag Ihnen: Die Recherche für diesen Beitrag war … abenteuerlich. Nicht nur, dass ich herausgefunden habe, das man den 7. Bezirk per Roller in etwa zwei Stunden komplett umrunden, durchqueren und allerlei sehen kann. Nein, man kann beim Kreuzen der Straße auch Dirk Stermann über den Weg laufen oder bemerken, wie hügelig der Siebte eigentlich ist, wie viel rumpliges Kopfsteinpflaster man dort findet, feststellen, wie viele ansprechende und geheimnisvolle Geschäftsauslagen es gibt, dass es bezaubernde und imposante Fassaden, kunstvolle Schmiedeeisentore und schwere Holztüren mit großen Türklopfern gibt, dass so manches Graffiti eine künstlerische Bereicherung ist. Der drittkleinste Bezirk Wiens ist so charmant! So voll von Überraschungsmomenten … und wenn man Glück hat – oder Pech, das liegt in dem Fall wohl im eigenen Ermessen – dann kommt ein Autofahrer auf die Idee, den Verkehr aufzuhalten, um Sie dabei zu fotografieren, wie Sie die Wilhelm Wiesberg Gedenktafel fotografieren. Genaugenommen Ihren … naja, Ihre „U4“ wie das bei Print-Publikationen nennt [U4: Umschlagsseite 4 ist die äußere, hintere Umschlagsseite eines Magazins oder Buches].
Ungelogen! Ist alles so passiert und ich wünschte, Sie wären dabei gewesen – wer weiß, vielleicht begleiten Sie mich einmal.
Dann hätten Sie auch live erlebt, was ich Ihnen jetzt knackig verpackt schildere! Schildern – ein gutes Stichwort, denn heute geht es um die Gedenktafeln und Schilder des 7. Bezirks. Eines vorweg: Eine Roller-Tour von Schild zu Schild am Neubau ist eine echte Marktlücke! Auf keine andere Weise bekommt man bezirksgeschichtlich, geographisch und menschlich mehr in so kurzer Zeit zu sehen. Es gibt zwanzig Gedenktafeln am Neubau, die an wichtige Persönlichkeiten erinnern, die hier geboren wurden, lebten und wirkten.
Die mit dem Insider-Wissen
finden Sie in der: Westbahnstraße 40, 1070 Wien
und erinnert an: Dominik Josef Peterlini, Komponist, 1875-1944
Zu lesen ist: Hier wirkte 1898-1920 Dominik Josef Peterlini gest. 8. April 1944 als Direktor der Chorgesangs- und Musikschule im Katholischen Jünglingsverein „Maria-Hilf“ und Gründer der „Peterlini-Sängerknaben“. Gott zur Ehr‘, den Menschen zur Lehr‘. Gewidmet 1970 von seinen dankbaren Schülern und Verehrern.
Die Bekannteste
finden Sie in der: Westbahnstraße 36, 1070 Wien
und erinnert an: Gustav Klimt, Maler, 1862-1918
Zu lesen ist: In diesem Haus wohnte der Maler Gustav Klimt in den Jahren 1898-1918, Österreichische Gesellschaft für Denkmal- und Ortsbildpflege, Verein Gedenkstätte Gustav Klimt
Die Schlichteste
finden Sie in der: Zieglergasse 33, 1070 Wien
und erinnert an: Emil Ertl, Schriftsteller, 1860-1935
Zu lesen ist: Emil Ertl wurde in diesem Hause am 11. März 1860 geboren
Die am höchsten Montierte
… und daher vom darunterliegenden Trottoir nicht zu lesen, sondern von der anderen Straßenseite aus begutachtbar (wenn nicht gerade der 49er vorbeifährt) …
finden Sie in der: Westbahnstraße 2-4, 1070 Wien
und erinnert an: Carl Michael Ziehrer, Komponist und Militärkapellmeister, 1843-1922
Zu lesen ist: An dieser Stelle stand das Haus in welchem C.M. Ziehrer am 2. Mai 1843 geboren wurde. Gewidmet vom Klub der Alten Wiener 1932
Die Modernste
finden Sie in der: Stuckgasse 8, 1070 Wien
und erinnert an: Gert Jonke, Schriftsteller, 1946-2009
Zu lesen ist: Künstlerzimmer Gert Jonke, Gert Jonke, Poet, 4-1-2009 was denn träume, was denn schlaf? sind träume denn auch räume für den schlaf?räumen träume in den räumen des schlafes auf? oder schlafen träume in den schlafräumen auch?
Die am besten Versteckte
finden Sie müssen Sie in der Stuckgasse 15 (im Hausflur), 1070 Wien suchen und hoffen, dass gerade jemand aus dem Haus kommt, um sie zu sehen.
Sie erinnert an: Ludwig Anzengruber, Schriftsteller, 1839-1899
Zu lesen ist: (auf der linken Tafel) In diesem Hause schuf Ludwig Anzengruber 1879-1880
(auf der rechten Tafel) Die Stätte, die ein guter Mensch betrat, ist eingeweiht, nach hundert Jahren klingt sein Wort und seine Tat dem Enkel wieder.
Die, die erinnert, nie zu vergessen
finden Sie in der: Siebensterngasse 31, 1070 Wien
und erinnert an: Dr. Emil Geyer, Regisseur, 1872-1942
Zu lesen ist: In diesem Hause lebte bis 1941 Dr. Emil Geyer, geboren 1872 in Svojkovice – 1942 in Mauthausen ermordet, 1912-1922 Direktor der Neuen Wiener Bühne, Förderer junger Dramatik, bedeutender Kunstsammler, Regisseur und 1926-1933 geschäftsführender Direktor an Max Reinharts Theater in der Josefstadt, Inszenierungen am Volkstheater, hochgeschätzter Pädagoge und Leiter des Reinhart-Seminars bis März 1938.
Die Textreiche
finden Sie in der: Kirchengasse 41, 1070 Wien
und erinnert an: Prof. Dr. Georg Kotek, Sammler und Erforscher des Volksliedes, 1889-1977
Zu lesen ist: [Noten und Text: O du schöani süaß Nachtigall,…] Zum Gedenken an Professor Doktor Georg Kotek 1889-1977
Dem Sammler und Erforscher und Pfleger von Volksmusik und Volkslied in Österreich – der von 1932-1977 hier gewohnt hat.
Das Österreichische Volksliedwerk
Die Österreichische Gesellschaft für Volkslied- und Volkstanzpflege
Der Verein für Volkskunde Wien
Das Wiener Volksliedwerk. Das Niederösterreichische Volksliedwerk,
Der Niederösterreichische Sängerbund. Das Bezirksmuseum Neubau
Der Österreichische Alpenverein Sektion Voistaler
Anmerkung: Der nach Georg Kotek benannte Kotekweg in Wien 19, wurde von einer Forschungsgruppe, die im Auftrag der Universität Wien und der Stadt Wien die Benennung der Wiener Straßennamen seit 1860 einer wissenschaftlichen Analyse sowie einer zeithistorischen Kontextualisierung unterzog, aufgrund der politischen Vergangenheit Georg Koteks als „Fall mit Diskussionsbedarf“ eingestuft, da selbiger stets „Anschluss an die jeweils herrschenden politischen Machthaber“ suchte.
Die Camouflage-igste
finden Sie in der: Kandlgasse 19-21, 1070 Wien
und erinnert an: Ernst Juch, Zeichner und Karikaturist, 1838-1909
Zu lesen ist: Ernst Juch geb. 1838 in Gotha
Die Weinende
finden Sie in der: Kandlgasse 13, 1070 Wien
und erinnert an: Rudolf Kronegger, Komponist, 1874-1929
Zu lesen ist: Rudolf Kronegger hat in diesem Hause seine schönsten Wienerlieder zum Lobe seiner Vaterstadt geschrieben. [Noten mit Text]: Wien is a Sterndl vom Himmel Gesellschaft zur Hebung und Förderung der Wiener Volkskunst
Die gut Getarnte
finden Sie in der: Burggasse 94, 1070 Wien
und erinnert an: Wilhelm Wiesberg, Schriftsteller, 1850-1896
Zu lesen ist: In dem Hause, das früher an dieser Stelle stand, starb am 25. August 1896 im 43. Lebensjahre Wilhelm Wiesberg Wiener Volksdichter und Reformator des Wiener Volkssängertums. Gestiftet zum 80. Geburtstage von der Gesellschaft zur Hebung und Förderung der Wiener Volkskunst 14. Sept. 1930.
Die oberhalb des wunderschönen Eingangstores
finden Sie in der: Neustiftgasse 67, 1070 Wien
und erinnert an: Prof. Karl Farkas, Schauspieler und Kabarettist, 1893-1971
Zu lesen ist: „Lob kann man sich erkaufen. Neid muss man sich verdienen“ Wohnhaus von Prof. Karl Farkas Kabarettist und Autor geb. 28.10.1893 gest. 16.5.1971 gewidmet von der Kulturgemeinde Neubau.
Die Prägende
finden Sie in der: Neustiftgasse 64, 1070 Wien
und erinnert an: Max Fleischer, Architekt, 1841-1905
Zu lesen ist: In diesem von ihm entworfenen Haus lebte der Architekt Max Fleischer (1841 Mähren-1905 Wien) von 1890 bis zu seinem Tode. Er war bekannt für den Bau von Synagogen und einer der Bauführer am Wiener Rathaus. Er entwarf zahlreichte Wohnhäuser im 7. Bezirk und Gräber am Wiener Zentralfriedhof. Während des Novemberprogroms 1938 wurden alle von ihm geplanten Wiener Synagogen zerstört oder beschädigt.
Intensiver Diskussionsbedarf
Jene Tafel in der Kandlgasse 32, die an den Geistlichen und Schriftsteller Dr. Sebastian Brunner (1814-1893) erinnert, liefert Diskussionsbedarf.
Zu lesen ist:
In diesem Hause wurde am 10. Dezember 1814 der hochwürdige Prälat Dr. Sebastian Brunner geboren. Dem allzeit getreuen Kämpfer für Deutschtum und christliche Weltanschauung. Das dankbare Wien
Dem Geistlichen und Schriftsteller ist neben der Gedenktafel im 7. Bezirk auch eine Straße im 13. Bezirk gewidmet, wobei jedoch seit Jahren eine mögliche Umbenennung im Raum steht. Sebastian Brunners antijosephinische, antiliberale und antijudaistische Haltung ging selbst über die zu seiner Zeit herrschenden Ressentiments der katholischen Kirche gegenüber dem Judentum hinaus. In den Jahren 2011-2013 unterzog eine Forschungsgruppe im Auftrag der Universität Wien und der Stadt Wien die Benennung der Wiener Straßennamen seit 1860 einer wissenschaftlichen Analyse und einer zeithistorischen Kontextualisierung. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde der Straßenname als „Fall mit intensivem Diskussionsbedarf“ eingeordnet. Eine Einbeziehung der Gedenktafel in diese Diskussion wäre äußerst wünschenswert.
Die wunderbar Verschnörkelte
Es fehlt nun noch eine Gedenktafel auf unserer Liste – die Gedenktafel mit dem Portraitrelief von Johann Strauss Sohn.
finden Sie in der: Lerchenfelder Straße 15, 1070 Wien
und erinnert an: Johann Strauss Sohn, Komponist und Kapellmeister, 1825-1899
Zu lesen ist:
„An dieser Stelle stand das
Geburtshaus von
Johann Strauss Sohn
geb. am 25. Oktober 1825
Seinem Ehrenmitglied
der Wiener
Männergesangverein“
Anmerkung: Das Portraitrelief stammt von Gustav Gurschner und wurde vom Wiener Männergesangsverein gestiftet. Als Anlass seines 100. Geburtstages im Jahr 1925 wurde die Tafel feierlich enthüllt. Johann Baptist Strauss („Strauss Sohn“) wurde am 25.10.1825 in der Rofranogasse 76 geboren, die nach der ursprünglich neapolitanischen Familie Rofrano, den ehemaligen Besitzern des Palais Auersperg, benannt wurde. Im Jahr 1862 wurde die Rofranogasse in die Lerchenfelder Straße einbezogen. Johann Strauss Sohn wurde im ehemaligen Haus „Zur goldenen Ente“ geboren, welches 1892 demoliert wurde.
Es gibt noch weitere Tafeln für euch zu entdecken
Wer des Gehens oder Roller Fahrens noch nicht müde ist, kann sich auch noch mehr in Richtung Innenstadt begeben und fünf weiteren Bewohnern des 7. Bezirkes begegnen:
Friedrich Ritter von Amerling, Maler, 1803-1887, der 1803 in der Stiftgasse 8 geborgen wurde.
Dr. Alicide De Gasperi, italienischer Staatsmann, 1881-1954, der in der Faßziehergasse 7 wohnte.
Josef Lanner, Komponist, 1801-1843, der im Haus in der Mechitaristengasse 5 geboren wurde.
Rudolf Beer, Schauspieler und Theaterdirektor, 1885-1938, der von 1924-1932 das Volkstheater in der Neustiftgasse 1 leitete.
Michael Pamer, Komponist, 1782-1827, der als Vorläufer von Josef Lanner und Johann Strauss (Vater) galt, die den 7. Bezirk ebenfalls eine Zeitlang ihr Zuhause nannten, und der bis zu seinem Tode in der Neustiftgasse 5 lebte.
Text & Fotos: Veronika Fischer; Titelbild & Foto Johann Strauss Sohn: Martina Simon
Erstveröffentlichung: Mai 2016