Die erste Welle brachte Kaffee abgepackt in den Supermarkt und machte ihn für jede und jeden zugänglich. Die zweite startete in den 60ern mit der weiten Verbreitung von Espressomaschinen. Sie machte den Kaffee mehr zu einem schnellen Genussmittel für zwischendurch und gipfelte in dem Hype um diverse Fastfoodketten. Die 3rd Wave of Coffee, in der wir jetzt schwimmen, ist eine Weiterentwicklung des Kaffees in Form von einer Rückbesinnung. Der eigentliche Kaffeegeschmack tritt in den Mittelpunkt, für den Konsum nimmt man sich Zeit – genau wie für guten Wein.
„Bei einer Messe hat mich einmal eine Dame gefragt, was denn das Besondere an meinem Kaffee sei. Ich hab mir gedacht, ui, jetzt muss ich da eigentlich sehr weit ausholen, darum habe ich einfach nur mit den Achseln gezuckt. Sie hat sich daraufhin die Frage selber beantwortet und gemeint, es muss wohl die Liebe sein, die da drinnen steckt. Und genau darum geht es.“ Charlie Fürth, Fürth Kaffee
Unsere Kaffeehauskultur hat sich gewandelt. Immer öfter dient das Kaffeehaus auch als Veranstaltungsort, Geschäft oder Bar. Auch der klassische Kaffeetrinker hat sich verändert. Heute achtet man wieder vermehrt auf die Qualität des Getränks, und interessiert sich gleichsam für Bohne, Röstungsart und Zubereitung. Man geht gezielt in die einzelnen Lokale, um beraten zu werden – und nicht nur, um sich ein Stamperl Koffein abzuholen.
Hier einige Top Kaffee-Erlebnisse aus unserem Grätzel
Café Kandl, Kandlgasse 12
„Ich wollte einen Ort schaffen, wo sich jeder so austoben kann, wie er will, aber mit einer Easyness und Entspanntheit, ganz ohne muss und soll.“
Dass es stimmt, was Gründer Robin über das neu eröffnete Café Kandl in der Kandlgasse 12 sagt, merke ich bereits, bevor ich meinen ersten Caffè Latte serviert bekommen habe. (Und das dauert wohlbemerkt keine 3 Minuten): Vom Barista über den Koch bis zu den Gästen fühlen sich hier ganz eindeutig alle wohl. Obwohl es das Café in dieser Form erst seit 1. November 2019 gibt, ist die Atmosphäre super entspannt. Einen großen Beitrag dazu leistet neben dem freundlichen Personal bestimmt auch die offene und helle Einrichtung des Lokals, die im Zuge einer kompletten Kernsanierung von einem Berliner Architektenbüro umgesetzt wurde. Im ältesten Biedermeierhaus des 7. Bezirks kann man seither super gemütlich die Zeit verstreichen lassen: Von der großen Frühstückskarte über wechselnde Mittagsmenüs bis zu Cocktails inklusive kleiner Barkarte bis in die späten Abendstunden.
WauWau Pfeffermühlen, Westbahnstraße 7
Ein Ort wo man sich sicher keinen Kaffee erwartet, wenn man durch´s Fenster schaut. Und doch meinen manche, hier gibt´s den besten Kaffee vom Bezirk.
„Als ich das Geschäft aufsperren wollte, wollte ich es zunächst noch renovieren, aber trotzdem schon bespielen. Der Schorsch, ein Koch, der Thomas Desi, ein Theaterregisseur – wir sind übrigens Nachbarn – und ich haben uns täglich im Eissalon Pellegrin zum Plaudern bei einer Tasse Kaffee getroffen. Wie dann die Saison vorbei war, wussten wir nicht, was tun – wohin sollten wir gehen? Wir haben dann entschieden, „Sprechstunden“ einzurichten. Jeder von uns sollte eine Stunde am Vormittag im Geschäft stehen und Kaffee gegen eine freie Spende ausschenken. Ich hab uns dann eine alte Faema Tronic organisiert. Dann haben wir aufgesperrt, so wie es war. Und so ist es geblieben. Wir haben viele Kulturveranstaltungen hier im Geschäft organisiert.
Heute biete ich jedem, der will, gegen eine freie Spende eine Tasse Kaffee an. Manchmal kommen die Leute nur deswegen herein. Ich verwende Foschi Kaffee, eine Arrabica Robusta Mischung. Er schmeckt eher herb. Mein Anspruch war, dass das so wird, wie an einer Autobahnraststätte in Italien. Einen kurzen starken Ristretto. Seit einiger Zeit verkaufe ich auch von mir speziell designte Kaffeetamper.“ Thomas Kreuz, WauWau Pfeffermühlen
Jonas Reindl Coffee Roasters, Westbahnstraße 13
„Es gibt gar keinen Jonas Reindl, aber dafür wirklich guten Kaffee.“
Im Dezember 2018, eröffnete das zweite Jonas Reindl Café in der Westbahnstraße 13, nach dem Stammlokal im 9. Bezirk. Von der Location nahe am Schottentor stammt übrigens auch die spannende Geschichte um den Namen Jonas Reindl: Die Straßenbahnstation, die 1961 von Bürgermeister Franz Jonas in Auftrag gegeben wurde, ähnelt mit ihrer Schleife, in der die Straßenbahnen umdrehen, einer Pfanne, oder auf wienerisch eben einem „Reindl“. Schon bald hieß die Station umgangssprachlich „das Jonas Reindl“ – und dieser Name wurde übernommen. Im zweiten Standort in der Westbahnstraße befindet sich nun auch eine Rösterei, in der seither der hervorragende eigene Kaffee geröstet, gemahlen und auch vor Ort verkauft wird. In gemütlicher Atmosphäre gibt es neben zahlreichen Café-Variationen auch eine Auswahl an leckeren Kuchen und frische Croissants am Morgen.
Freudich Vintage Store & Café, Kaiserstraße 74
„Jeder von uns bringt hier das rein, wo er seine Leidenschaft sieht.“
Im Gespräch mit Gabriel, dem jüngeren Bruder des Besitzers des Freudich Vintage Store & Café, wird schnell klar, wie viel Liebe und Herzblut in das kleine Geschäft mit Wohnzimmeratmosphäre geflossen ist. Seit Mai 2019 kann man hier durch eine fein kuratierte Sammlung an Vintage-Kleidung stöbern oder selbstgemachte Kuchen der Mama (gelernte Zuckerbäckerin!) und hervorragenden Kaffee trinken. Regelmäßige und vielseitige Veranstaltungen vom Mittwochs stattfindenden Sketchcircle am Gemeinschaftstisch über wechselnde Ausstellungen heimischer Künstler bis zu Lindy Hop Abenden mit passender Musik vom Plattenspieler ergänzen das Angebot. Spätestens wenn ab Frühjahr 2020 der Schanigarten draußen öffnet und man von der 5er-Haltestelle quasi ins Lokal fallen kann, werden noch mehr Menschen merken, dass die Kaiserstraße mit diesem gut getarnten Unikat um ein ganz spezielles Café reicher geworden ist.
Fazit: Kaffee wollen wir heutzutage „Slow“ anstatt „To Go“.
Erstveröffentlichung 4.5.2015 von Anna Rose Ableidinger, Update Jänner 2020 von Kathrin Furtner