Ein Spaziergang durch den siebenten Bezirk kann durchaus auch eine Zeitreise sein. Es gibt viel zu entdecken. Widmen wir uns beispielsweise der Sage um das Haus „Zur güldenen Schlange“, die Geschichtsinteressierte in das Jahr 1683 zurückversetzt.
Die Vorgeschichte
Im Jahr 1682 stand fest, dass das 18 Jahre zuvor geschlossene Friedensabkommen zwischen Leopold I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, und den Osmanen vor dem Ende stand. Ein 200.000 Mann starkes Heer brach im März 1683 unter der Führung von Großwesir Kara Mustapha von Edirne, früher Adrianopel, der westlichsten Großstadt der Türkei, in Richtung Wien auf. Unterstützt wurde Kara Mustapha durch die Ungarische Opposition unter Imre Thököly.
Über Belgrad, Györ und Schwechat gelangte man am 14. Juli an die Mauern Wiens. Der kaiserliche Hof war bereits eine Woche zuvor aus der Hauptstadt geflüchtet. Geblieben war die kaiserliche Besatzung mit 11.000 Mann und 5.000 Mann, die sich aus Freiwilligen und Angehörigen der Wiener Bürgerwehr zusammensetzten. Ein harter und zermürbender Kampf entbrannte.
Die feindliche Übernahme
Die Angriffe konzentrierten sich auf die Löwelbastei, die von der Hofburg bis zum späteren Franzenstor reicht und obwohl wir uns geografisch noch in der Innenstadt befinden, beginnt genau hier die Sage um das Haus „Zur güldenen Schlange“: Unter den fünftausend Bürgern, die zu den Waffen griffen, war auch ein gewisser Fleischermeister Christian Winkelmüller.
Gemeinsam mit seiner Frau Mechthild betrieb er in der Vorstadt Sankt Ulrich – heute Teil des 7. Bezirks – sein Geschäft. Als es Zeit war, Abschied zu nehmen, drängte er seine Frau, rechtzeitig Schutz innerhalb der Stadtmauern zu suchen, da die Vorstadt Sankt Ulrich schon bei der ersten Türkenbelagerung stark zerstört wurde, und obgleich sie ihrem Mann das Versprechen gegeben hatte, rückten die türkischen Truppen so schnell in die Gegend ein, dass sie es nicht halten konnte. Mechthild geriet mit vielen anderen Bewohnern in Gefangenschaft und wurde in das osmanische Lager geschafft, wo sie schwer arbeiten musste.
Eine „Katz‘“, die alles verändert
Im August – endlich – konnten die Truppen von Karl von Lothringen erste Erfolge gegen die Angreifer vermelden. Die zu Hilfe eilenden Bayern, Polen und Sachsen sammelten sich im Tullnerfeld und der entworfene Schlachtplan führte die erstarkten Truppen nach Wien. Am 12. September 1683 fand die Entscheidungsschlacht am Kahlenberg statt, die die Osmanen zum Rückzug Richtung Ungarn zwang.
Der Sage zufolge hörte man das Donnern der Kanonen und die Schreie der Verwundeten von Weitem. Die christlichen Gefangenen – unter denen sich auch Mechthild befand – beteten um den Sieg ihrer Truppen, über den sie schon bald jubeln durften. Die feindlichen Soldaten flüchteten eilig, sodass die Gefangenen ohne Hindernisse heimkehren konnten. Auf dem Weg ritt ein Trupp der kaiserlichen Armee an Mechthild vorüber und einer der Reiter warf ihr einen länglichen Ledersack zu, von dem er sich offenbar keinen Nutzen versprach. Wenn sie auch selbst keine Verwendung dafür hatte, nahm die Frau ihn als Erinnerung an die Befreiung an sich.
Sie hatte den Fußmarsch nach Sankt Ulrich endlich bewältigt, da erblickte sie ihr Haus, fast bis auf die Grundmauern zerstört, und sank traurig in eine Mauernische. Dort fand sie kurz darauf ihr Mann, der wohlbehalten aus der Schlacht heimgekehrt war.
Mechthild begrüßte Christian voll Freude und zeigte ihm ihr Andenken. Begeistert stieß er aus: „Du hast da eine Geldkatze bekommen. Darin bewahren die Türken ihr Geld auf und binden es sich dann um den Körper.“* Er öffnete den Sack und viele Goldstücke purzelten heraus. Die beiden verkauften die Münzen an einen Goldschmied und konnten mit den 1.500 Dukaten, die sie dafür erhielten, ihr Haus neu aufbauen und eine Gastwirtschaft eröffnen. Das Haustor zierte eine Tafel mit der Inschrift:
„Dieses Haus steht in Gottes Hand,
Zur güldenen Schlange‘ wird es genannt.“
Ein Jahrhundert lang soll das Haus gestanden haben, bis es wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste. Heute befindet sich an selbiger Stelle ein Schulhaus – in der Burggasse 14-16.
Gut zu wissen: Die Redewendung „die Katze rubbeln“ kommt von besagtem schlauchartigen Geldsäckchen, das man früher im Gürtel einklemmte. Plante jemand einen Kauf, konnte er von außen seine Geldkatze befühlen, um zu spüren, wie viel Geld sich im Inneren des Beutels befand. „Rubbel die Katz‘“ wird bis heute als Aufforderung, sich mit einer Sache zu beeilen oder sich zu einer (Kauf-)Entscheidung durchzuringen, verwendet.
*Bauer, Eva (2001): Wien in seinen Sagen. Die Menschen schlafen in diesem Steinmeere. Bibliothek der Provinz.
Einen weiteren Beitrag zu den Sagen aus dem 7. Bezirk – Vom „Nassen Hadern“ zu mondänem Flair
Beitragsbild: Veronika Fischer
Foto im Text: Gerhard Bögen