Ohne dem klassischen Fan der Großraumdiskothek zu nahe treten zu wollen: Schlagerstadl, Wodka-Bull und Eventtitel, die so klingen, als hätte sie sich DJ Antoine höchstpersönlich ausgedacht, locken eben nicht jeden. Einer der Vorteile des urbanen Raumes ist glücklicherweise die Diversität und der damit verbundene Handlungsfreiraum. So kommen Wanderer der dunklen Stunde durchaus auf ihre Kosten. Wer schon länger mit dem Gedanken spielt, seinen Haargel-Verbrauch zu minimieren und das knallige Hemd im Kasten zu lassen, wird bald feststellen, dass das Wiener Nachtleben genügend Alternativen zu bieten hat. Man könnte zum Beispiel in den Camera Club gehen. Oder doch nicht?
Eine vorrübergehende Pause?
Mehrere Monate befindet sich die Camera nun bereits in einem komatösen Zustand. Die einen sprechen von ihrem sicheren Ende, die anderen geben die Hoffnung nicht auf und berufen sich auf die Website des Nachtclubs. „Pause“ steht dort in großen Lettern. Auf dem offiziellen Facebook Account wird hingegen eine dauerhafte Schließung des Etablissements vermerkt. Man munkelt über eine Pleite, den Hieb der behördlichen Rute und dergleichen. Aber wie das nun mal so ist mit Vermutungen, Spekulationen und Wahrsagerei: Beweise hat keiner. Die Redaktion von Im7ten.com verlässt sich allerdings nicht auf Informationen, die ein Freund der Schwester eines Bekannten nach dem sechsten Bier in einer zu lauten Bar aufgeschnappt haben will. Wir wollten es genau wissen und wandten uns an Rainer Schmid, der auf der Website des Camera Clubs als Kontaktperson angegeben wird. Er äußerte sich dazu wie folgt:
Der Camera Club wird verkauft bzw. wird ein Nachfolger gesucht. Eigentlich sollte es eine fliegende Übergabe werden, welche am 01.07.2015 stattfinden sollte. Ganz kurzfristig ist dann aber der Nachfolger wegen Bankproblemen abgesprungen. So liegt der Camera Club nach wie vor im Dornröschenschlaf und wartet auf eine Wiedereröffnung. Derzeit gibt es einige Interessenten. Zu einer Übernahme ist es aber noch nicht gekommen.
Das Vermächtnis der Camera
Es steht also noch nicht fest, wann die Camera ihre Tore wieder öffnen wird, eine Wiedereröffnung scheint allerdings durchaus realistisch zu sein. Ob der Club dann noch mit seinem klassischen Charme überzeugen kann, oder ob auf unbekannten Pfaden gewandelt wird, liegt am zukünftigen Besitzer beziehungsweise der zukünftigen Besitzerin. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass das Vermächtnis des Camera Clubs in Ehren gehalten wird. Denn es wäre zutiefst bedauerlich, sollte dieses zwar nicht unbedingt auf Hochglanz polierte, jedoch nicht minder wertvolle Juwel in die falschen Hände geraten. Man kann aber beruhigt sein, zum Glück passt da unten keine Großraumdiskothek rein.
Verschrien, verrucht, verehrt
Seit Beginn der 70er Jahre zieht der Camera Club mit guter Musik, berauschenden Festen und nicht zuletzt seinem skandalösen Ruf Nachtschwärmer aller Art an. So vermag das Etablissement schon so manch Porzellan sammelnden Familienvater aus seinen Träumen gerissen und in Sorge um den verlorenen Nachwuchs versetzt haben. Schließlich pflegt sich die Sammlung, sollte sie einst an die jüngere Generation weitergegeben werden, nicht von alleine. Durchfeierte Nächte in der Camera sorgen bekanntlich für einen Verlust der Feinmotorik, welche für die gekonnte Handhabung des Staubwedels eine entscheidende Rolle spielt. Ganz nach dem Motto „mehr Fun, weniger Porzellan“, wuchs die Fangemeinde des Kultclubs jedoch stetig an und die Camera sorgte für allgemeines Entzücken.
Fazit: Generationen unterhaltungslustiger Herumtreiber pilgern seit über 40 Jahren in die Neubaugasse Nummer 2. Der Camera Club hat sich zu lange bewährt, um sang- und klanglos zu verschwinden. In Zeiten der Unsicherheit sei daran erinnert, dass es sich mit einem halb vollen Glas besser feiert, als mit einem halb leeren. In diesem Sinne freuen wir uns jetzt schon auf ein gelungenes Comeback.
Fotos: Daniel Klingler