Am 15. Juni öffnet das Café Leopold nach mehrmonatiger Pause wieder seine Tore, allerdings für ein etwas anderes Zielpublikum. Im April unterzeichnete das Museum einen Zehnjahresvertrag mit den Gyoza Brothers, einem bekannten Wiener Gastronomiekollektiv und schlug damit einen eindeutigen Weg ein. Statt durchtanzter Nächte erwartet die zukünftigen Besucher nun eine Mischung aus kulinarischen Klassikern und asiatischen Delikatessen aus der Fusion-Küche. Nach der Camera hat Neubau also auch das Leopold verloren, zumindest so, wie man es kannte und zu schätzen wusste. Aber Kopf hoch, Abschied und Begrüßung gehen Hand in Hand, das hat der Wandel eben an sich. Nach 16 Jahren Betrieb und knappen fünf Millionen Besuchern bekommt das Café Leopold ein neues Gesicht und das sieht durchaus sympathisch aus.
Die Gyoza Brothers und ihre Vision
Das Café Leopold ist durch seine optimale Lage eine begehrte Location in der Wiener Gastronomieszene. Dementsprechend groß war auch der Andrang, als sich das Museum nach einem neuen Pächter umsah. Nach einer ausgiebigen Bewerbungsphase setzten sich die Gyoza Brothers durch und verdrängten gekonnt die Konkurrenz. Aber wie? Warum fiel die Wahl gerade auf sie? Das vierköpfige Team hat jahrelange Gastro-Erfahrung und führt mehrere erfolgreiche Lokale in Wien. Das genügt allerdings nicht, um einen derartigen Deal an Land zu ziehen. Weitaus bedeutender war, laut Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger, die kunstaffine Gesinnung des Kollektivs. Das Museum strebt eine enge Zusammenarbeit mit den Gyoza Brothers an und will den Besuchern so ein vollständigeres Kulturerlebnis bieten.
Ein verspieltes Konzept mit viel Liebe zum Detail
Mit viel Liebe zum Detail treiben die neuen Pächter ihre Version einer modernen Lounge für ein weltoffenes, internationales Publikum voran. So begab sich der Trupp eigens zum Geburtshaus Egon Schieles, um den Himmel durch die Augen des jungen Wunderknaben zu sehen. Bei dem Ausflug entstand ein Foto ebenjenes Anblickes, welches nun als Hintergrund der Wasserbar nebst den großen Becken inmitten des Museumsquartiers dient. Das Abbild des Leopold Museums auf der Speisekarte wurde von einem chinesischen Landschaftsmaler illustriert und verdeutlicht das künstlerisch verspielte Konzept der Gyoza Brothers, welches von Klaus Schwarzenegger innenarchitektonisch fortgeführt wird. Ein stimmiges Gesamtbild, das dem Flair des Museumsquartiers gerecht wird, ohne an Individualität einzubüßen. Man spezialisiere sich nicht auf ein bestimmtes Publikum, jeder sei im neuen Leopold willkommen.
Keine Party im Café Leopold
Alles hat seinen Preis, so bleibt auch beim Imagewechsel des Leopolds etwas auf der Strecke. Die durchfeierten Nächte sind vorbei. Das Café hat zwar bis zwei Uhr morgens geöffnet, sieht sich aber eher als Restaurant, das zur späten Stunde als Bar fungiert. Cocktails und Co wird es also weiterhin geben, der hochkarätige musikalische Eventkalender des Café Leopold wurde allerdings eingestampft. Laut den Gyoza Brüdern wird es in Zukunft aber gelegentlich trotzdem zu Veranstaltungen kommen. Dabei ist jedoch eher mit gehobenem, kulturinteressiertem Klientel als mit ekstatisch tanzenden Studenten zu rechnen. Nichtsdestotrotz wird das Café Leopold auch zukünftig ein fixer Bestandteil des Neubauer Nachtlebens sein. Statt Bier, leichtem Tinnitus und Kebab am Heimweg, gibt es jetzt eben Cocktails, angenehme Hintergrundmusik und experimentelle asiatische Häppchen. Lang lebe die Vielfalt! Wir heißen die Gyoza Brothers auf jeden Fall herzlich willkommen und freuen uns schon auf das neue Leopold und die kommenden zehn Jahre.
Fotos: Marry Media