Die Hitzebelastung zu reduzieren ist erklärtes Ziel des Aufrufes der Neubauer Bezirksvorstehung, die Fassaden zu begrünen. im7ten war beim Infoabend mit Fachvorträgen von DI Jürgen Preiss von der MA 22 und DI Vera Enzi, Verbandssprecherin des Österreichischen Verbands für Bauwerksbegrünung, im Bezirksamt dabei und hat sich über die ersten Schritte schlau gemacht, wie Sie mehr Grün in Ihr Leben am Neubau bringen.
Cool down & green up
Noch heuer werden in der Richtergasse Bäume gepflanzt, auch in der Zieglergasse ist eine Bepflanzung geplant, deren Umsetzung derzeit noch von baulichen Veränderungen abhängt, und im Rahmen von Klip7, dem Neubauer Klimaschutzpreis, gibt es einen Sonderpreis für Projekte zur Fassadenbegrünung. „Cool down & green up“ ist das Gebot der Stunde. Und wenn man sich die Zahlen zur Hitzebelastung in der Stadt vor Augen führt, weiß man auch warum.
Der Rückkopplungseffekt belastet
Am Neubau befinden wir uns in dicht bebautem Gebiet. Die Sonne brennt auf den Asphalt, auf Glasscheiben und Metalloberflächen, ohne Grünoasen entsteht ein Rückkopplungseffekt. Darüber hinaus ist innerstädtisch mehr Speichermasse vorhanden als am Stadtrand, weshalb es in der Stadt oft mehrere Grad wärmer ist. Auf Wärmebildern zeigt sich der Temperaturunterschied: 3 Grad Celsius sind es tagsüber, bis zu 5 Grad in den Nachtstunden. Diese Hitze belastet!
Entlastung durch Begrünung
Was die Wärmebilder allerdings auch zeigen, ist, dass schon kleine Begrünungen einen messbaren Effekt haben. Während die horizontalen Begrünungsmöglichkeiten innerstädtisch stark begrenzt sind, ist vertikal noch viel Platz nach oben – im wahrsten Sinne. Das Potenzial von ganz Wien liegt bei 5.700 ha Dachflächen und 12.000 ha Fassadenflächen durch deren Begrünung die Schadstoffbelastung und die Gefahr der Überhitzung vermindert werden könnten. Zudem verhindert eine bewachsene Hausmauer das Sprühen von Graffitis, bringt eine ästhetische Aufwertung mit sich und fungiert als natürlicher Schutzschild gegen Schlagregen und UV-Strahlung, wodurch die Lebensdauer einer Fassade erhöht wird.
Welchen positiven Effekt die Begrünung einer Fassade hat, zeigt unter anderem das Gebäude der MA 48 in der Einsiedlergasse, 1050 Wien, das zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Begrünung in dieser Dimension ein europäisches Vorreiterprojet war. Die Verdunstung von 3.600 Litern Wasser täglich entspricht der Kühlleistung von rund achtzig (!) 3000-Watt-Klimageräten, die acht Stunden laufen. (Quelle: Grün statt Grau, Stand: 02.05.2018)
Private Initiativen sind gefragt
Um Projekte wie dieses umzusetzen, bedarf es aber vor allem privater Initiativen, denn über die meisten Flächen, die Begrünungspotenzial aufweisen, kann nicht die öffentliche, sondern in einem ersten Schritt die private Hand entscheiden. Wohnungs- und GeschäftseigentümerInnen sowie MieterInnen, die mit Zustimmung der HausbesitzerInnen eine Begrünung planen, werden vom Bezirk in der Durchführung unterstützt. „Wenn viele Projekte gelingen, dann gelingen sie nur gemeinsam“, gibt Christian Schrefel von der Agenda Neubau die Marschrichtung vor.
Vorurteile gegen Kletterpflanzen
Im Zuge der Informationsveranstaltung wurde auch gezielt mit Vorurteilen aufgeräumt: Dass Kletterpflanzen wie Wilder Wein (Veitchii) und Efeu das Mauerwerk angreifen, sei schlichtweg nicht korrekt – im Gegenteil: Oftmals wirkt eine Bepflanzung auf einer bereits desolaten Fassade stützend. Entfernt man die Pflanze, gibt auch der Mauerputz nach und bröckelt ab. Auch der Irrglaube, dass sich durch üppiges Grün mehr Insekten in Wohnungen verirren würden, wurde entkräftet.
An sich eine rundum stimmige Sache also, weshalb die Begrünung von Fassaden und Dachflächen am Neubau gezielt gefördert wird, indem Bezirksvorsteher Markus Reiter die Unterstützung des Bezirks bei den nötigen Behördenwegen zusichert. Denn ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint, ist die Sache nicht: Eine sinnvolle, nachhaltige und dauerhafte Fassaden- oder Dachbegrünung muss geplant werden und erfordert die optimale Verzahnung von Standort- und Systemanforderungen: Kosten für die Erstbegrünung sowie die weitere Pflege, Wartungsaufwand, Gestalt und Vielfalt der Pflanzen, Pflanzengesellschaft, Bewässerung, Begrünungsdauer, Fassadentyp, Materialien, Ästhetik und auch banale Faktoren wie die Gehsteigbreite spielen als Einflussfaktoren bei der Entscheidung für die Art der Begrünung eine wesentliche Rolle.
Wo fängt man an?
Zunächst ist es wesentlich herauszufinden, welche Möglichkeiten und Voraussetzungen man hat: Gibt es einen Balkon oder einen Innenhof? Ist man Mieter oder Eigentümer? Welche Art der Begrünung ist gewünscht und mit welchen baulichen Gegebenheiten hat man im speziellen Fall zu tun? Ist eine bodengebundene Bepflanzung baulich möglich? Begrünungen lassen sich nämlich definitiv nicht über einen Kamm scheren, weshalb die Beratung und Planung so wichtig sind.
Als Lektüre eignet sich insbesondere der Leitfaden zur Fassadenbegrünung, wo Interessierte neben ganz viel Input und Praxisbeispielen auch eine Checkliste (S. 87) finden, anhand derer man sich entlanghangeln kann. Übrigens: Ihr Projekt wird von der Stadt Wien mit bis zu 2.200 Euro gefördert.
An wen kann man sich wenden?
Wer Ideen für eine Begrünung hat, kann sich bei der Umweltberatung erstberaten lassen. Auch die Gebietsbetreuung Stadterneuerung ist Anlaufstelle für Ihre Idee zur Fassadenbegrünung. Auf der Website der Stadt Wien finden Sie bei der Umweltschutzabteilung (MA 22) weiterführende Informationen zu Beratungsstellen und Planungsbüros, den Förderungsantrag für Ihr Projekt sowie die Checkliste für die erforderlichen Genehmigungen und der Verein Grün statt Grau, der Verband für Bauwerksbegrünung, ist ein unabhängiger Vermittler von Wissen und Kontakten für die Planung und Durchführung Ihres Vorhabens.
Noch grün hinter den Ohren?
Als zentrale Botschaft habe ich aus dem Vortrag mitgenommen: Lassen Sie sich nicht durch die ersten scheinbaren Hürden aufhalten! Bezirksvorsteher Markus Reiter ruft explizit zum Mitmachen auf. Geben Sie Ihrer Idee Raum, geben Sie ihr eine Chance, reichen Sie die Idee bei Klip7 ein und nehmen Sie die Zusicherung der Bezirksvorstehung ernst, Sie bei den nötigen Behördenwegen bestmöglich zu unterstützen.
Der Neubau kann grün! Innen und außen.
Keine Möglichkeit zur Fassadenbegrünung, aber Lust auf Grün? Dann ab in die Parks im 7. Bezirk! Oder sichern Sie sich einen Platz in den schönsten Gastgärten am Neubau!
Titelbild: Samuel Zeller auf Unsplash