Ein Unikat – Harald Gehmacher ist, genau wie die Objekte, die er erschafft, ein Einzelstück. Ihm zuzuhören eröffnet neue Betrachtungsweisen, denn er ist Handwerker und Künstler in einer Person. Philosophisch und ohne kommerziellen Aspekt betrachtet er, was er kreiert und schafft es dann doch, sich mit dem unternehmerischen Part in ihm zu arrangieren, um kontinuierlich das zu tun, wofür sein Herz gerade schlägt.
Liebevoll fährt Harald Gehmacher mit einem Tuch über die dynamischen Schwünge der Aluminiumboliden, die in der Auslage des kleinen Shops platziert sind. Ich fühle mich fast wie ein Störsignal, das diese Innigkeit unterbricht, als sich meine Hand auf den Türöffner legt, der ebenfalls wie ein Auto geformt ist, und die Glastüre zum Geschäftsraum aufschiebt, aber er wischt diesen Gedanken mit einer ruhigen, aber herzlichen Begrüßung fort.
Seit zweiundzwanzig Jahren hat Harald Gehmacher hier, in der Lerchenfelder Straße 81, seinen kleinen Laden. Beleuchtungskörper im Jugendstil hängen von der Decke, schnittige Automodelle und Lehmskulpturen zieren die schlichte Auslage. Eine fein säuberlich aufgeräumte Werkbank dient als Tisch und Tresen in gleichem Maße. Durch einen türlosen Durchgang gelangt man in ein penibel sortiertes Lager für alle Geräte und Teile, die Harald Gehmacher für die Fertigung seiner Objekte benötigt.
Schon als Kind hat er viel Zeit in der Lehmgrube verbracht, eine Burg gebaut und sie sich zuhause aufgestellt, erzählt Harald Gehmacher über den Beginn seiner Leidenschaft. Beruflich begann er sich zunächst mit Beleuchtungsobjekten auseinanderzusetzen, da er für einen befreundeten Antiquitätenhändler Reparaturen an Lampen durchführte, was ihn zum Entwurf eigener Objekte brachte. „Sie berühren knapp die späte Strenge des Jugendstils und gehen doch ihren eigenen Weg“, beschreibt er seine in Einzelarbeit entstehenden Leuchten.
In fließender Bewegung führte das Eine zum Anderen: Inspiriert von der Venus von Willendorf begann Harald Gehmacher Skulpturen aus rotem Lehm zu formen. Mal einfach, mal verstrickt, immer üppig, nackt und weiblich, wobei all das beim Betrachten in den Hintergrund tritt. Interessant sind mehr Form und Schwung. Eine dieser Skulpturen fertigte er für den Verband der FilmschauspielerInnen, die die Figur als Ehrenpreis für besondere Verdienste um den Verband an die österreichische Schauspielerin Konstanze Breitebner verlieh. Harald Gehmachers Skulptur zeigt eine Frau, die im Mittelfeld von Erhabenheit und Erotik liegt. In all seinen Figuren sucht er in der Fertigung die Schönheit im Körper und überträgt sie in seine Kunstwerke.
Etwas Besonderes schuf und schafft der Neubauer Unternehmer auch mit seinen Aluminiumboliden. Die Inspiration dafür nimmt er aus dem Alltag mit. „Manchmal sehe ich im Verkehr eine Blechform, die nur durch Zufall ins Auge fällt.“ Einzelne Details oder Schwünge sind es, die ihn dann ansprechen und etwas in ihm auftun – wie eine extrem vergrößerte Nahaufnahme. Danach formt er Tonmodelle, die in weiterer Folge vollständig aus Aluminium gegossen werden. „Manchmal geht’s leicht von der Hand“, beantwortet er die Frage nach dem Entstehungsprozess und lässt damit den Umkehrschluss zu, dass es auch andere Schaffensperioden gibt.
Als der Audi A8 1994 erstmals auf den Markt kam, orderte der Autokonzern 100 Stück der Gehmacher-Modelle. Auch für das Schauraum-Interieur des Wiener Autohaus Liewers entwickelte er ein stromlinienförmiges Modell nach historischem Vorbild, für das er wegen der gewünschten Größe sogar ein Metallgerüst für die erforderliche Stabilität bauen musste. Er schmunzelt über sich selbst, wenn er erzählt, wie er versuchte, die gigantische Menge von 25 Kilogramm Gips in die Form zu füllen, die danach nicht einmal halbvoll war und man stellt fest, dass seine Gedanken die Pioniere seiner Hände sind. Sie befeuern neue Projektideen, erlauben zu probieren und nehmen das Fine-tuning vor, sich einen neuen Weg auszudenken, wenn Plan A scheitert.
Vor etwa 10 Jahren trat Auto-Revue-Redakteur David Staretz an Harald Gehmacher heran und beauftragte ihn, den Auto-Revue-Preis zu gestalten, der etwas Schweres, Erhabenes, aber Fliehendes haben sollte. „Er war sehr geduldig mit mir“, erinnert sich Harald Gehmacher an die Zusammenarbeit und ein Lächeln huscht über sein Gesicht. „Mach’s russisch“, waren die Worte von David Staretz, die dem Künstler schlussendlich erlaubten, das Gleichgewicht zwischen Pathos und Übertriebenheit zu finden.
Wir sprechen über Gelenkdampflokomotiven, ein Pendel, Arbeitsweisen, das zeitliche Balancehalten zwischen Erfindung und kommerziell Verwertbarem, über die Bauweise eines unendlichen Spiegels – alles Themen, mit denen sich Harald Gehmacher beschäftigt und die er mir – einem Laien – gerne geduldig erklärt. Er ist Erfinder, Künstler und Handwerker in Personalunion, taucht aktuell ins Schreiben ein, erschafft Phantasiewelten, träumt manchmal still vor sich hin, konstruiert dann wieder im Kopf und gibt sich der Faszination hin, die das Projekt auf ihn ausübt, das ihm gerade vor dem geistigen Auge erscheint – bis er es zu seiner Zufriedenheit erschaffen hat und sich wieder einem anderen widmen kann. Und dann switcht er wieder in den Unternehmer, der eben tut, was ein Unternehmer fürs Geschäft so zu erledigen hat.
Gefragt nach seinem liebsten Fleck im 7. Bezirk fällt Harald Gehmacher eine Begegnung ein, die er in der Myrthengasse hatte: „Ein liebster Fleck ist, wo man etwas Schönes erlebt hat“, stellt er fest. „Ich ging in der Myrthengasse und eine junge Frau drehte sich fast im Vorbeigehen nach mir um und sprach mich an, ob ich der Freund ihrer Mutter sei. Das war eine schöne Formulierung. In die Stille hinein. Der Freund jemandes zu sein.“
Besuchen Sie ihn mal! Und lassen Sie die Begegnung in Ihnen nachhallen.
PS: Sollten Sie eines seiner schnittigen Autos als besonderes Dekoobjekt erstehen wollen: Sie bewegen sich preislich zwischen 300 und 900 Euro und er würde es Ihnen sogar in Ihrer Wunschfarbe lackieren. „Ein rosafarbenes Auto“ – das hatte er eh noch nicht, schmunzelt er.
Infos: harald-gehmacher.at