Im Berghaus kann ich ungestört mit originellen Weibern hausen
Kuratoren Team: Rebekka Reuter & Michael Walde-Berger
Alfons Waldes zweite Frau Lilli Walter, hatte bereits bei der Heirat festgestellt, Seelen-Treue ja, körperliche Treue nein – Walde war kein Kostverächter und willigte ein. Bei einer seiner Parties am Berg fotografierte er seine Frau beim Liebesakt mit einem anderen Gast. Der Partner Lillis wirkt auf diesen Fotos leicht verkrampft. Wen wundert es, bei den Aufnahmen kamen sicherlich, von Walde persönlich, Regieanweisungen, das flotte Liebesspiel musste innehalten, wenn der Meister und Peeping Tom auf den Auslöser drückte.
Während seiner legendären Künstlerfeste und den damit verbundenen Aufenthalten, entstanden erotische Fotografien, die in ihrer Ästhetik an Luis Trenker und Leni Riefenstahl erinnern, deren Ikonographie durch alltägliche Utensilien, wie z.B. Küchenschürzen über nacktem Körper, Schischuhe, Interieur Tiroler Bauernstuben, verschoben wurde und ironische Anspielungen beinhalten..
Die auffallenden Accessoires in seinen Aufnahmen, einerseits die klassischen Fetische wie Stöckelschuhe und Strapse, andererseits Insignien der Häuslichkeit wie Kreuze, Wohnzimmer Idylle, Schürze oder Sportgeräte, machen diese Akte so interessant. (Xenia, (1932) umwickelt mit einer Art geflecktem Kuhfell, dessen Muster sich in den teilweise Schneebedeckten Bergen fortsetzt, Lacerta, (1935), nackter Körper, Schischuhe, Schi)
Diese Fotos dienten als Vorlage für Zeichnungen und Malereien, verdienen für mich jedoch als eigene Kunstgattung vollen Respekt. Über die Qualität der Zeichnungen lässt sich streiten, sie sind meist nicht „My Cup of Tea“. Die Fotografien hingegen sind großartig, das Spiel mit Licht und Schatten, die Inszenierungen, die Versatzstücke der Settings. Die Aktfotos zeichnet eine spezifische Mischung aus Bizarrem und Groteskem aus. Seine fotografische Arbeit ist auch aus der fotohistorischen Perspektive interessant, weil er sehr früh mit Farbfotografie experimentierte.
Walde, ein gut aussehender und scheinbar sehr energischer Mann, gestaltete für sich eine eigene Welt am Berg und genoss die Freizügigkeit auf der Alm. Die wilden 20iger und 30iger Jahre Berlins, Wiens, Paris und Londons wurden nach Tirol importiert und würdig zelebriert. Im Kontext der Zeit sind Aufnahmen und Feste im Walde Stil weder schockierend noch ungewöhnlich. Die Zwischenkriegszeit zeichnete sich durch Freigeister, Enthemmtheit und fatalistische Lebensfreude aus.
Die Frauen sind aus dem Leben entnommen, selbstbewusste Frauen mit vollem Busen, mit ausladenden Hüften (typisch Unterländer nannte man das damals), schönen Ärschen und mit frischen, lustigen, lebensfreudigen Gesichtern, denen man ansieht, dass auch sie Spaß am bunten Almtreiben hatten. Keine sanften Musen, sondern Frauen, die wissen was sie wollen und ihren Wert einschätzen konnten. Ihre leuchtenden und entspannten Gesichter lassen vermuten, dass vor dem fotografischen Akt der leibliche stattgefunden hatte.
Wer kennt nicht die rote Kitzbühler Gams und die rot gekleideten Schilehrer – was jedermann sofort mit Alfons Walde verbindet ist Tirol, Skifahren, Kitzbühl und Bilder von Bergen, Schnee und Tiroler Bauern in Trachten. Walde, das PR Genie mit eigenem Verlag, hatte schon früh erkannt, dass Sujets am Besten über Postkarten und Drucke/Plakate publik werden und wußte früh diese Transportmittel für sich zu nutzen.
Bei Walde wird die katholische Doppelmoral offensichtlich, er selbst war weder Revoluzzer noch großer Erneuerer. Während seiner Studienzeit in Wien schloss er sich der Secession Bewegung an, war mit Schiele und Klimt u.a. befreundet, liess sich auch von deren Stil beeinflussen (Portrait Schieles). Nach dem Krieg kehrte er in sein geliebtes Kitzbühl zurück und verließ es nicht wieder. Seine Freundschaft mit Gustinus Ambrosi hielt als Brieffreundschaft bis an sein Lebensende.
Die Ausstellung der Fotografien im Westlicht erweitert den Blick auf einen Künstler, der durch die Verbreitung eines, seiner von ihm bedienten Genres, in ein völlig anderes Licht gerückt wurde. Die Geschichtsschreibung blendete aus und fokussierte, ließ Aspekte weg, die gerade nicht ins Bild des Schreibers und dessen Zeit passten, und fabrizierte dadurch neue Viten, die selten mit dem wirklichen Leben zu tun hatten. Für mich war es eine Erleichterung, die erotische Seite Waldes zu entdecken – durch den Blick auf die Akt Fotografie erscheinen auch seine Landschaften in einem neuen Licht und plötzlich interessiert mich Alfons Walde, weil er nicht ein Tradition verhafteter Abbilder war, sondern ein Entdecker von Welten, Bergwelten, Körperwelten.
2015 / Denise Parizek