G. Dieroff Nachfolger e. U. ist DIE Adresse für Naturwaren wie Peddigrohr, Bambusrohre in allen Stärken, Rattan, Bast oder Jute in Wien. Das 1880 gegründete und seit 1888 an dieser Adresse anzutreffende Unternehmen bietet Seilerwaren aus Natur- oder Kunstfasern – Seile, Schnüre und Gurte – und eine unglaubliche Vielzahl an Zubehör für allerhand handwerkliche Projekte: Holzperlen, Taschengriffe aus Bambus oder auch Schließen unterschiedlicher Machart. Seit das Wollkonzert im Dezember 2016 seine Tore öffnete, zieht es auch Strickbegeisterte, Häkelfans, SelbermacherInnen auf der Suche nach Webzubehör sowie LiebhaberInnen der Filztechnik in die Westbahnstraße 46.
Ich stehe vor der Eingangstüre von Dieroff Naturwaren. Durchatmen. Nicht den Kopf verlieren. Gudrun Kirchert, die als Agenturchefin von Stadtfein im Hintergrund für den reibungslosen Ablauf von im7ten sorgt, hat mich bei der letzten Redaktionssitzung gewarnt: Wenn ich den Beitrag über Dieroff Naturwaren schreibe, würde ich mich verlieben, das wäre genau meins.
Sie hat recht! Hier bekommt man Fingerspitzenkribbeln.
Als Bastlerin und Selbermacherin mit Wertschätzung für Handwerk und einem Hang zum Nostalgischen finde ich hier alles faszinierend: Die Kraft der Natur, die etwas Perfektes, Robustes und vielseitig Verwendbares hervorbringt. Ich bin begeistert vom Werkstattflair, der Farbpracht, den Möglichkeiten. Und schlussendlich von der Tatsache, dass ein Geschäft wie Dieroff keine fertigen Waren in dem Sinn anbietet, sondern Rohwaren und Halbfertigprodukte, die im kreativen Schöpfungsprozess einer Sache eben erst konkret Gestalt annehmen.
Eintauchen in eine neue Welt
Peddigrohr, Stuhlflechtrohr, Rattan und Bambusrohr stehen in unterschiedlichsten Stärken und Längen an der Wand oder hängen in kreisförmig gewickelten Bündeln an Haken. Mir fallen die perfekt geformten Bambusrohre mit einem gigantischen Durchmesser von etwa 15 Zentimetern auf und ich lasse mir erklären, dass Bambus eine schnellwachsende Pflanze ist, die meist aus China, manchmal aus Russland, kommt, und bei Bedarf unter Hitzeeinwirkung gebogen und somit gerade gemacht werden kann.
Bunte Peddigrohre warten nur darauf, in einzigartige Korbwaren verwandelt zu werden.
Das fertig vorbereitete Rohrgeflecht zur Reparatur von Thonet-Stühlen liegt in Rollen in einem Holzschrank hinter dem Tresen. Auch Hanfseile, Sisalseile für Katzenkratzbäume, Klettertaue, Schnüre, Gurtbänder und diverses Zubehör – wie beispielsweise Schließen und Griffe zum Fertigen von Taschen – gibt es zu erstehen. Ja, es ist richtig urig hier im Gewölbe von Dieroff, wo vieles die Gebrauchsspuren von fast 130 Jahren trägt, ohne abgelebt zu sein. Funktionalität ist alles.
Dieroff Naturwaren – Von der Gründung bis in die Gegenwart
Heinrich Gustav Dieroff gründete den Naturwarenhandel 1880, acht Jahre später zog man in die Räumlichkeiten der Westbahnstraße 46 ein. HandwerkerInnen, DesignerInnen, KünstlerInnen, RestauratorInnen und BastlerInnen kaufen hier ein. Das Unternehmen ist in seiner Nische so spezialisiert, dass es nichts Vergleichbares in der Bundeshauptstadt gibt.
In der Blütezeit – das Handwerk hatte damals noch einen anderen Stellenwert – hatte das Unternehmen zwei Dependancen und beschäftigte rund 30 Mitarbeiter. Aufzeichnungen dieser Zeit gibt es nur wenige, doch die Portraits an der Wand des Büros, von denen aus drei Dieroff-Generationen in den Verkaufsbereich blicken, haben den Jahrzehnten standgehalten.
Etwa 100 Jahre nach seiner Gründung übergab Familie Dieroff den Betrieb an einen befreundeten Unternehmer, der den Handel mit Naturwaren über zwanzig Jahre fortführte, bevor der gelernte Kaufmann und Maschinenschlosser Gerald Egger-Lampersberger sein Erbe antrat. Seit Ende 2006 leitet er das Traditionsunternehmen und brachte als Sohn eines Tischlers den Zugang zum Handwerk und insbesondere zum Werkstoff Holz mit. Diese Leidenschaft, gepaart mit einer fundierten Marketingausbildung, die im Zusammenspiel in einer dem Produktportfolio und der Serviceorientierung zuträglichen Zielstrebigkeit resultieren, merkt man dem Unternehmer an: Traditionsbewusstsein steht nicht im Widerspruch zur Weiterentwicklung – ganz im Gegenteil. Mit dem neuesten Coup, der Gründung des Wollkonzerts im Dezember 2016, hat Gerald Egger-Lampersberger den Finger am Puls der Zeit.
Wer hat die schönsten Schäfchen?
Links neben dem Haupteingang befindet sich seit kurzem die Wollwarenabteilung in den neu renovierten Räumlichkeiten: Kammzüge, Spinnräder, Webstühle und -rahmen, Kardiermaschinen und Wolle, feinste, weiche Wolle in den schönsten Farben des Regenbogens, warten darauf, von Kundinnen und Kunden verwendet zu werden. Dieroff Naturwaren ist österreichischer Generalvertreter des neuseeländischen Woll-Labels Ashford und hat mit dem Wollkonzert nicht nur einen Shop eröffnet, an dem man sich gerne Wollnachschub namhafter Hersteller von Qualitätswolle wie Ashford, Ferner Wolle oder Adriafil holt, sondern der auch für Workshops zu den Themen Spinnen – für Anfänger und Fortgeschrittene – oder Filzen genutzt wird. Nach dem Motto: „Durchs Erlebnis zum schönen Ergebnis“, wird fleißig gesponnen, gewoben und gefilzt. Für eine Übersicht über das Kursangebot besuchen Sie das Wollkonzert am besten online. Wer mit Handspindel und Spinnrad ganz in Dornröschenmanier das mit dem Traditionshandwerk auf Tuchfühlung gehen will, ist bei Wollkonzert in der Westbahnstraße an der richtigen Adresse.
Dieroff Nachfolger e.U.
Westbahnstraße 46, 1070 Wien
www.wollkonzert.eu
Öffnungszeiten:
Dienstag – Freitag: 9 – 12 und 14 – 18 Uhr
Samstag: 9 – 13 Uhr (außer Juli und August)
Der 7. Bezirk: Traditionsgemäß ein heißes Pflaster für Handwerksbetriebe
PS.: Wenn Sie sich für Handwerksbetriebe in Wien und insbesondere im 7. Bezirk interessieren, dann wird sie der im7ten-Beitrag über den Faltplan Unsichtbares Handwerk in Wien faszinieren, in dem Sie neben Dieroff Naturwaren auch viele andere spannende Betriebe aus dem Grätzl wie Pfeffermühlendesigner WauWau Pfeffermühlen, Polsterin und Möbeltapeziererin Luisa Wammes, Stoffsalon, wo der Name Programm ist, Farbenspezialist 100% FARBE und Lederwarenerzeuger Albert Pattermann entdecken werden. Wussten Sie außerdem, dass es in der Westbahnstraße einen Brillendesigner, einen Glasbläser und eine renommierte Schneidermeisterin gibt?
© Fotos (wenn nicht anders beschriftet): Veronika Fischer