Peter Friedrich ist mittlerweile 27. Vor zwei Jahren hat er die Firma seines Vaters übernommen und sie „Voigtländer und Söhne“ getauft. Er ist der führende Optiker Wiens und kennt sich bestens mit den damals verfügbaren Glassorten und den gebräuchlichen Schlifftechniken aus. Das fehlende Glied in Ettinghausens Plan. Ein Treffen wird arrangiert, Voigtländer und Petzval sollen einander vorgestellt werden. Die Chemie stimmt, man einigt sich auf eine Zusammenarbeit. Petzval kümmert sich um die mathematische Optimierung, Voigtländer stellt die optischen Daten zur Verfügung. Mittlerweile hat sich die Nachricht vom Unterfangen der beiden Männer bis in die höchsten Kreise der österreichischen Regierung verbreitet. Der Staat erkennt die Chance, ein derartiges Projekt bedarf besonderer Aufmerksamkeit. Man will Petzval geschulte Mathematiker zur Verfügung stellen, die ihn bei seinen Berechnungen unterstützen sollen. In der damaligen Zeit kein leichtes Unterfangen, denn gute Rechner waren rar. Lediglich auf die Artilleristen des kaiserlich königlichen Heeres war Verlass, schließlich mussten sie wissen, wo ihre Geschosse landen würden. Eine Geste, die Petzval zu schätzen weiß.
Marktmonopol und Expansion
Innerhalb von nur einem Jahr erwirken die beiden Unmögliches. Mit einer Belichtungszeit von nur 45 Sekunden ist das Petzval Porträt Objektiv dem Konkurrenzprodukt von Daguerre bei weitem überlegen. Im Vergleich zu der Leistung von Modellen des 21. Jahrhunderts ist das selbstverständlich noch immer eine lange Zeit. Bedenkt man allerdings, dass ein Porträt zuvor fünfzehnminütiger Regungslosigkeit bedurfte, bekommt man eine Vorstellung der Wertigkeit der Erfindung. Voigtländers Werkstatt hat die Exklusivrechte, passend zum Objektiv entwickelt er eine Kamera aus solidem Messing. In den ersten zwei Jahren werden 600 Modelle für jeweils 120 Gulden pro Stück verkauft. Um das Geld bekommt man zur damaligen Zeit ein junges Pferd in bestem gesundheitlichen Zustand. Die Menschen sind verrückt nach der neuen Technologie. Voigtländer sieht sich gezwungen, eine zweite Fabrik zu eröffnen, als Standort wählt er Braunschweig, die Heimatstadt seiner Ehefrau. Von Deutschland aus ist es leichter, Beziehungen mit Nordamerika zu knüpfen. Der Unternehmer will expandieren, die Fotografie soll die neue Welt erobern. Und wieder hat Peter Friedrich die richtigen Kontakte. Zwei Brüder seiner Gemahlin leben in Philadelphia, sie kümmern sich fortan um den Vertrieb in Nordamerika.
Tipp: Das Petzval Objektiv wurde im Rahmen eines Kickstarter Projekts nachgebaut und an moderne Spiegelreflexkameras der Marken Canon und Nikon angepasst.
Ritterschlag und Wohltätigkeit
1868 stellt der Norweger Sondre Norheim den ersten offiziellen Weltrekord im Skispringen auf. Er bewältigt eine Distanz von 19,5 Metern. Peter Friedrich Voigtländer lebt mittlerweile in Deutschland, vor vier Jahren feierte sein Unternehmen den Verkauf des 10.000 Objektivs. Seine Wurzeln hat er nicht vergessen. Er ist verantwortlich für diverse österreichische Stiftungen, spendet an Kriegsveteranen, unterstützt die ungarische Wirtschaft durch beträchtliche Investitionen und fördert die Photographische Gesellschaft Wiens. Als Preußen den Kaiser finanziell unter Druck setzt, bietet er ihm ein Kapital von 100.000 Gulden an. Eine enorme Summe. Der Staat Österreich ist stolz auf seinen Sprössling. Am 20. Oktober des Jahres 1868 wird Voigtländer von Kaiser Franz Joseph I. feierlich in den Ritterstand erhoben, eine Ehre, die nur den wenigsten Günstlingen der Monarchie zuteilwurde. Im Alter von 46 Jahren blickt der Unternehmer auf einen Weg zurück, der seinesgleichen sucht. Eine Biografie, die zeigt, dass Innovation und Schöpfergeist keine Phänomene des 21. Jahrhunderts sind. Die Geschichte eines Mannes, der einen Weltkonzern schuf, als die Post noch per Kutsche zugestellt wurde. Knapp 150 Jahre sind verstrichen und der Lebensweg des Peter Friedrich Voigtländer beweist noch heute, dass es manchmal nicht mehr bedarf als einer guten Idee, Ehrgeiz und einer Brise Glück, um die Welt zu erobern.
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