Wer für wen? Wenn ich überlege, wer meine Schuhe doppelt, wer meine Nähte flickt , wo ich meine Zeitung kaufe, meine Orangen und das Olivenöl, meinen Grünen Tee, wo bringe ich meine Künstler_innen aus dem Ausland unter? Es ist der Schuster aus Usbekistan, der Schneider aus Sierra Leone, der Trafikant aus Persien, Lebensmittel vom Griechen, Inder oder Italiener, der Buchhändler aus Ex Jugoslawien, die Japanerin, die mich über verschieden Teezubereitungen unterrichtet, das nette Hotel in philippinischer Hand, in dem sich meine Gäste wohl fühlen.
The candy man can
Lollipop ist ein Zuckerlgeschäft, wie viele von uns es aus der Kindheit kennen. Ich habe auch das Gefühl, dieses Geschäft war immer schon da und ich kenne Herrn Khlosy schon ewig.
Wir sind quasi gemeinsam älter geworden und haben die Veränderungen im Bezirk gemeinsam erlebt.
Schulkinder drücken sich nicht mehr die Nase platt, wie es zu meiner und meiner Neffen Zeit noch üblich war. Natürlich werden noch Süßigkeiten gekauft, aber weniger. Heimlich haben wir uns schon vom Taschengeld besonderes nach einem öden Schul- oder frustrierenden Unitag gegönnt. Scheinbar hat die Erziehung zu weniger Zucker doch Früchte getragen, allerdings zum Leidwesen von Herrn Khlosy, dem Besitzer des legendären Lollipop in der Burggasse.
Herr Khlosy kam vor 44 Jahren aus Ägypten nach Wien um Betriebswirtschaft zu studieren. Im April 1985 eröffnete er den Zuckerladen Lollipop, in dem er seine privaten Sozialstudien betreibt und sieht, wie sich die Gesellschaft verändert.
Die Öffnungszeiten des Lollipop sind länger als im Supermarkt, 7:30 – 20 Uhr, die meiste Zeit verbringt der Besitzer selbst in seinem Geschäft. Personal zu beschäftigen wäre der Untergang, alleine kommt er und seine Familie gerade über die Runden. Stundenlöhne dürfen sich Selbständige sowieso nicht errechnen.
Herr Khlosy konnte feststellen, dass heute mehr der VIP Faktor zählt als Qualität. Früher war das Lollipop beliebter Treffpunkt von Eltern und Kindern, heute gehen diese bevorzugt in hippe Läden, wo man gesehen wird und sehen kann, was sonst noch so angesagt ist.
Allerdings Krachmandeln und Seidenzuckerl, nostalgische Süßigkeiten, gibts nur in Spezialläden wie dem Lollipop. Die Jahreszeiten sind hier ersichtlicher als vor der Tür, wo der Südföhn durch die Burggasse weht, obwohl drinnen der süße Christbaumschmuck wartet. Munchies in jeder Art und bis in den Abend hinein, Eis im Sommer, Schokolademaroni und Lebkuchen im Winter, die wirklich süßen Bedürfnisse werden im Lollipop gestillt, genau vor unserer Haustüre.
LOLLIPOP Burggasse 57, 1070 Wien
Text Denise Parizek 2016
Photo Credits Mute Insurgent 2016