Unternehmerische Nostalgie im7ten
In der Kohlehandlung Hinterhoger werden feste Brennstoffe vertrieben, um das heimatliche Wohnzimmer in wohlig warme Gemütlichkeit zu hüllen. Denn Heizen ist nicht gleich Heizen. Wer auf die herkömmliche Fernwärme setzt, der weiß, dass die gewünschte Temperatur schnell wieder sinkt, sobald man die Heizung abdreht. Nicht so mit Kohle: die Hitze, die mit dem Brennstoff erzeugt wird, hält einfach länger. Und das ist nicht der einzige Vorteil, auch die Luft wird nicht so trocken wie beim herkömmlichen Heizen. Außerdem macht es einfach Spaß: Lagerfeuerromantik in den eigenen vier Wänden.
Ein Betrieb mit Tradition
Durch Zufall kam Herr Hinterhoger zu seinem heutigen Beruf. Anfänglich half er gelegentlich in der Kohlehandlung seines Onkels aus, er dachte allerdings nicht, dass er eines Tages selbst in dieser Branche tätig sein würde. Warum steht auf dem Schild eigentlich nicht Kohlehandlung Hinterhoger? Das Geschäft befand sich schon immer im siebten Bezirk, damals war es noch im Besitz eines gewissen Herrn Weber, dessen Name über dem Eingang prangt. Angeblich besteht der Betrieb bereits über neunzig Jahre. Wenn sich Dinge so lange bewährt haben, warum sollte man etwas ändern? Ein gewisser Hang zur Nostalgie lässt sich erkennen. Früher wurde die Ware noch mit speziell angefertigten Kohlewägen ausgeführt, das mache heute niemand mehr, so Hinterhoger, es sei einfach zu laut. Nur bei ihm wird gelegentlich noch damit geliefert. Vor dem Geschäft stehen drei dieser Wägen, sichtlich von Stolz erfüllt führt er sie vor.
Die Blüte des Kohlehandels
Früher wurde unter tausend Kilo nichts geliefert, sagt der Kohlehändler mit einer überraschenden Selbstverständlichkeit. Die Leute lagerten den Brennstoff auf Vorrat in ihrem Keller. Das ist mittlerweile gar nicht mehr möglich, da die wenigsten so viel Platz aufbringen können. Dabei handelte es sich um Privatpersonen, wohlgemerkt. Schwer zu glauben, eine Tonne Kohle, das ist schon eine beträchtliche Menge. Man kann sich vorstellen, dass die Lieferung solcher Bestellungen wohl mit einem enormen Kraftaufwand verbunden war. Der Kohlehandel ist anstrengend und dreckig, etwas für Leute, die anpacken können.
Die Kälte ist des Kohlehändlers bester Freund
Immerhin ist er bereits seit über zwanzig Jahren dabei, da bekommt man ein Gespür für die Materie. Die Winter bleiben aus, das macht ihm zu schaffen. Seit mehreren Jahren ist es einfach nicht mehr kalt genug, um sich Kohle zum Heizen anzuschaffen. Die globale Erwärmung zeigt ihre Wirkung. Das habe auch die Konkurrenz festgestellt. Früher seien es über vierzehn Kohlehandlungen in Wien gewesen, heute gibt es nur noch wenige. Aber ein paar Leute setzen noch auf Kohle. Die meisten Stammkunden seien ältere Menschen, meint Hinterhoger und wirkt nachdenklich.
Heizen soll gelernt sein, das kann eben auch nicht jeder. Je nach Material benötigt man einen bestimmten Ofen. Man muss händisch Brennstoff nachlegen und wissen, was wie brennt. Einen Dieselmotor tankt man schließlich auch nicht mit Benzin. Natürlich geht es schneller, das Rad der Heizung zu drehen und sich zurückzulehnen, aber die erzeugte Wärme hat eben nicht die gleiche Qualität.
Holz setzt sich durch
Am beliebtesten ist Holz, so der Kohlehändler. Das bietet er selbstverständlich auch an. Man kann damit am einfachsten umgehen und die Leute mögen den Geruch, das Knistern und die bereits erwähnte Lagerfeuerromantik, die beim Heizen des Kamins entsteht. Problematisch ist lediglich die Anschaffung eines Ofens. Ein Anschluss ist erforderlich, darum kümmert sich der Rauchfangkehrer. Zusätzlich wird eine behördliche Genehmigung benötigt, auch Brandschutz spielt eine Rolle. Wenn man allerdings einen Kamin im Wohnzimmer stehen hat, sollte man in der Kandlgasse Nummer 16 im siebten Bezirk vorbeischauen. Die Kohlehandlung Hinterhoger setzt auf österreichisches Material, das Holz und die Briketts kommen aus dem Burgenland und dem Waldviertel.
Fazit: So nebensächlich und selbstverständlich die passende Temparatur im eigene Wohnzimmer auch wirken mag, Bequemlichkeit sollte nicht mit Gemütlichkeit verwechselt werden. Ein knisterndes Feuer im Kamin macht schließlich mehr her als das monotone Weiß eines Heizkörpers.
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Fotos: Daniel Klingler