Unternehmerische Nostalgie im7ten
Teil 1 – ein Plädoyer für mehr Bonbons im Leben
Kennen Sie das vielleicht auch? Beim Flanieren durch die Einkaufsstraßen im 7ten begegnen Sie urplötzlich einem Stück Ihrer Vergangenheit. Mir ist das unlängst auch wieder passiert. Mein Mann und ich hatten uns gemeinsam mit einem befreundeten Paar auf den Weg gemacht, zu einem Spaziergang durch die Mariahilfer Straße und die angrenzenden Konsummeilen.
Zurückversetzt in die Kindheit
Als wir dann so vorbeigeschlendert sind an den Geschäften in der Neubaugasse, ist mir ganz unvermittelt aber dafür umso intensiver ein Relikt aus meinen Kindheitstagen quasi direkt in den Mund gesprungen.
Und zwar diese goldig-schimmernden, mit Bonbons gefüllten, Zuckerlnetze. Leckere, kleine Gelee-Hütchen in den buntesten Farben und vielfältigsten Geschmacksrichtungen. Solche, die förmlich nach ihrer Vertilgung verlangen: „Nimm mich, verputze zumindest von jeder Farbe eines und schlecke Dir auf jeden Fall nachher noch ganz genüsslich alle Deine 10 Fingerchen ab!“
„Dass es die noch gibt, das hätte ich mir nicht gedacht!“, hab ich da sofort zu meinem Mann gesagt. Und schon war’s geschehen um mich! Was ich da alles noch so entdecken konnte, in dieser wunderbaren und reizvollen Auslage! Hier bei Bonbons Neubaugasse waren sie also nun alle versammelt, die alten FreundInnen aus meinen Kindheitstagen! Ebenso duftend, ebenso verlockend.
Auf handgeschriebenen Preiszetteln angepriesen, aufgetürmt zu himmelhoch jauchzenden Schokobergen und zauberhaft kolorierten Geleemonumenten. Ultimativ und Generationen übergreifend verführerisch! Wie sagte meine Tochter doch so treffend beim Mitverfolgen meiner Recherche für diesen Beitrag: „Da haben auch die Alten noch eine Freude.“ Und das mitten im7ten – in einem hinreißenden Flair der Jahrhundertwende (19./20. wohlgemerkt) konserviert.
In guten Händen
Und die ehemalige Geschäftsbesitzerin Editha Breithuber-Hlavacek freut sich tatsächlich sehr, dass ihr Unternehmen auch nach der Übergabe ein Zuckerlgeschäft geblieben ist. Der Wechsel der Besitzerin ist so charmant und problemlos über die Bühne gegangen. Sie hatte ein Glück mit ihrer reizenden Nachfolgerin Michaela Rosenauer (ehemals Dürnberger) und ist selig, weil alles so hervorragend geklappt hat.
Eine Frauendomäne
Bonbons Neubaugasse wurde nämlich bereits 1936 gegründet, 1938 von Frau Hlavacek senior übernommen, und bis 2002 von Editha Breithuber-Hlavacek, einer der beiden Töchter der Firmengründerin, unverändert als traditionelles Wiener Süßwarengeschäft geführt.
Nach der Übernahme durch die Familie Dürnberger – die dem Unternehmen bereits seit langen Jahren als verlässlicher Produzent und Lieferant der Jonny Schokoladen verbunden war – wird das älteste Wiener Zuckerlgeschäft nunmehr von deren Tochter Michaela Rosenauer gemeinsam mit Angelika Fuchs geführt. Und ist damit eine Frauenwirtschaft geblieben – unverändert erfolgreich.
Feine Bonbons abseits von Supermarktregalen
offerieren sich hier: Seidenzuckerln, Krachmandeln, Wiener Zuckerln, Geleefrüchte, Eibischteig, Liliput Drops, Kieselsteine, Frit, Schokolinsen mit buntem Streusel drauf, Wiener Dragee, Himbeer- und Brombeerzuckerln, Meraner Früchte, Cortina Keks, Schoko Mint in rosa und weiß, Manner Karamellen – ein wahres Eldorado für alle, die Süßigkeiten von anno dazumal lieben.
Rund 450 Artikel im regulären Sortiment und bis zu 3.000 Artikel zur Hochsaison wie Krampus, Weihnachten und Neujahr. Derart gestaltet sich die Warenvielfalt bei Bonbons Neubaugasse.
Jonny Schokoladen
Sogar Feinstes aus eigener Produktion gibt es hier zu erstehen: schon seit drei Generationen stellen die Erzeugung und der Vertrieb der Jonny Süßwaren den Lebensmittelpunkt der Familie Dürnberger dar.
Deren Erfolgsgeschichte begann 1950 in einem Dachboden in der Zieglergasse: gänzlich ohne maschinelle Hilfsmittel stellte der Firmengründer Alois Niederle per Hand in seinem Eigenheim im7ten mit viel Know How, Kreativität und Leidenschaft in geheimer Rezeptur seine bis heute betörenden Rumpastillen her.
Die besonders dünne Zuckerkruste unter der Bitterschokolade fand allerorts großen Gefallen und so konnte bereits nach kurzer Zeit und mit Unterstützung der Familie eine eigene Produktionsstätte in der Tivoligasse in Meidling betrieben werden.
Man sitzt und schält und plaudert
Die Jonny Orangetten, welche dort gerade jetzt innert etwa fünf Wochen per Hand aus sechs Tonnen Orangen geschnitzt werden, sind auch ein Gaumenkitzel der nostalgischen Art. Dass die Schalen im eigenen Betrieb gewonnen und kandiert werden, ist eine Besonderheit und diese Qualität schmeckt man natürlich auch.
Für Individualisten
Ohne der Mithilfe der Familie und ohne den Verkauf durch Spezialgeschäfte, die sich der Tradition und der Qualität verschrieben haben – wie eben Bonbons Neubaugasse von Tochter Michaela – gäbe es dieses Traditionsunternehmen wahrscheinlich nicht mehr.
Mit einem persönlichen Text/Motiv versehene Schokoladeschleifen, Gutscheine, Sonderrabatte und ein Versandservice ab einem Bestellwert von € 40,- runden das Angebot ab. Auch eine individualisierte Verpackung ist möglich, damit die leckeren Spezereien auch für das Auge so richtig zur Geltung kommen.
Wie gewohnt
Früher – zu Zeiten der Vorbesitzerin und als es in der Gegend sogar noch weitere Zuckerlgeschäfte gab – hatte Bonbons Neubaugasse von 8 Uhr früh bis 9 Uhr abends, 77 Stunden die Woche, auch samstags und sonntags geöffnet
Heutzutage sind die Geschäftszeiten für neuzeitliche Begriffe noch immer ausgedehnt: das ganze Jahr über Montag-Freitag 9-18 Uhr und Samstag 9-17 Uhr.
Fazit: Nostalgie ist zeitlos – vor allem, wenn’s um jene Leckereien und Köstlichkeiten geht, die alle Naschkatzen in süßen Erinnerungen schwelgen lassen!
Fotocredits: Fam. Dürnberger
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Text: Cornelia Feiertag