Dieser Sommer, das kann man ohne Übertreibung sagen, war ein ganz besonderer. Zum Beispiel war er ein ganz besonders trockener Sommer. Man muss schon in den Wetteraufzeichnungen bis ins Jahr 1911 zurückforschen, um einen ähnlich trockenen Sommer zu finden.
1911 wurde übrigens jenes tonnenförmige Gebäude an der Ecke Mariahilfestraße/Kaiserstraße erstmals eröffnet, das dieser Tage wieder einmal wiedereröffnet wird. Man kennt das Gebäude als Stafa. Die Abkürzung steht für „Staatsangestellten Fürsorgeanstalt“, was doch ein sehr österreichischer Pleonasmus ist. Aber das nur nebenbei. Ähnlich vielsagend wie der Name ist auch das neue Gewand des alten Gebäudes. Mit riesigen, vor der Fassade schwebenden Glasscheiben wird das ganze Gebäude zu einer einzigen Metapher des Heute, fasst alles zusammen, was unser Heute und was uns heute ausmacht. Wie überdimensionale Screens und Pads hängen da diese Glasscheiben und muten gleichzeitig an wie gigantische Sonnenbrillen, die den Fenstern die Sicht nehmen. Und für die Bewussten unter uns ist alles ordentlich zertifiziert. So huldigt mit jugendlicher Scham- und Charmelosigkeit das neue Stafa auch dem Bezirk selbst, dem 7ten, dem wohl heutigsten Bezirk der Stadt.
Man möchte dem alten Haus im neuen Gewand ein Zitat von Bruno Kreisky mit auf den Weg geben, der da einst sagte: „Ich selbst bin ein alter Jugendlicher.“ Bruno Kreisky wurde übrigens auch 1911 geboren. Bleibt zu hoffen, dass nach der langen Trockenheit endlich ein bisschen Regen kommt und uns die Schminke der Jugendlichkeit vom Gesicht wäscht.
Philipp Mosetter (*1956) lebt und arbeitet als freier Autor und Schauspieler in Wien und Frankfurt/Main. Er verfasst monatlich eine Kolumne über den 7ten im Falter.
up* – unpublished
Philipp Mosetter
www.unpublished.at
Foto: Stadtfein