Die Wiener Kaffeehauskultur und die Westbahnstraße

Kaffee im Glas verschiedene Abstufungen der Stärke

Die Wiener Kaffeehauskultur ist aus Wien nicht mehr wegzudenken und etwas, was der Wiener Seele in Zeiten wie diesen besonders fehlt. Damit wir dem Geruch von gerösteten Bohnen wieder ein bisschen näher kommen, wollen wir einen Ausflug machen. Einen Ausflug in die Geschichte der Wiener Kaffeehauskultur. Diese Geschichte beginnt Ende des 17. Jahrhunderts mit einem armenischen Spion namens Johann Deodato. Er lernte am Wiener Hof die Zubereitung von Kaffee und eröffnete das erste Kaffeehaus. Damals war das Kaffeehaus ein Raum, der mit simplen Holzbänken ausgestattet war.

Napoleon stellt Kaffeesieder auf harte Probe

1720 legte das Kramersche Kaffeehaus am Graben als erstes Kaffeehaus auch aktuelle Tageszeitungen aus, um seine Gäste mit Nachrichten aus aller Welt zu versorgen. Durch Napoleons Kontinentalsperre für den Handel mit England (1808 – 1813), wurden die Wiener Kaffeesieder auf eine harte Probe gestellt. Die Zölle auf Kaffeebohnen waren so hoch, dass die Wiener Kaffeehäuser kurz vor dem Ruin standen. Jedoch wurde hier erstmals erlaubt, warme Speisen und Wein zu servieren. Das war die Geburtsstunde des Wiener Kaffee-Restaurants. Erst mit dem Ende der Handelssperre konnten Kaffeehausbetreibende wieder servieren. Zunächst war der Kaffeehausbesuch ausschließlich Männern vorbehalten. 1865 hatte dieser Spuk ein Ende und auch Frauen konnten nun die Wiener Melange und eine Tageszeitung genießen.

Ein Mekka der Kommunikation und UNESCO Kulturerbe

Das Wiener Kaffeehaus avancierte gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum Treffpunkt für Plauscherl unter Freund*innen, Geschäftsgespräche und Verhandlungen. Die Wiener Kaffeehauskultur ist eng mit der österreichischen Geschichte verwoben und nach wie vor ein Mekka der Kommunikation. Bis heute ist die Wiener Seele mit dem Kaffeehaus verbunden und untrennbar.

1956 entstand durch den Zusammenschluss traditioneller und innovativer Kaffeehäuser Wiens der Klub der Wiener Kaffeesieder. Er ist die zentrale Stelle für die Öffentlichkeit und Ansprechpartner für Medien und Kaffeekulturinteressierte. Der Klub richtet auch den jährlichen Wiener Kaffeesiederball aus. Seit 2011 ist die Wiener Kaffehauskultur nun ein immaterielles UNESCO-Kulturgut. Die UNESCO begründete das, wie folgt:

„Die Tradition der Wiener Kaffeehauskultur ist durch eine ganz spezielle Atmosphäre geprägt. Typisch für die Wiener Kaffeehäuser sind Marmortischchen, auf denen Kaffee serviert wird, Thonet-Stühle, Logen, Zeitungstischchen und Details der Innenausstattung im Stil des Historismus. Die Kaffeehäuser sind ein Ort, in dem Zeit und Raum konsumiert werden, aber nur der Kaffee auf der Rechnung steht.“

Die Westbahnstraße und die Vielfalt der Kaffeehäuser

Neben dem klassischen Kaffeehaus haben sich über die Jahre die Konzepte der Kaffee-Gastronominnen weiterentwickelt. Geht man durch die Straßen Wiens und besonders durch jene im Grätzel, entdeckt man diverse Cafés. Für jeden ist ein passendes Genusserlebnis dabei: To-Go-Konzepte, Kaffeehäuser mit eigener Rösterei, Spezialitäten, Kaffee-Konditoreien und Oldies but Goldies.

Die Westbahnstraße ist das beste Beispiel dafür. Hier gibt es drei ganz unterschiedliche Kaffeehauskonzepte in der Nachbarschaft und jedes davon ist definitiv einen Besuch und Verkostung wert! Facettenreich und für jeden Kaffeeliebhaberin geeignet.

Die Kaffee-Konditorei Smolinka

Neben der Schottenfeldpfarre befindet sich ein Oldie but Goldie – die Kaffee Konditorei Smolinka. Vintage und Retro sind hier keine Fassade, sondern echt. Daher gibt es auch kein WLAN und keine Kartenzahlung. So wie es früher war, quasi wie die viel zitierte „gute alte Zeit“. Perfekt, um bei einem schmackhaften Kaffee mit einem Stück Torte zu entschleunigen und dem hektischen und digitalen Alltag zu entfliehen. In der warmen Jahreszeit kann man selbiges auch in einem einzigartigen Außenbereich genießen. Cafétier Michael Smolinka ist Gastgeber mit ganzem Herzen und liebt die Geschichte seiner Konditorei und die Gespräche mit seinen Gästen.

Jonas Reindl

Seit 2018 befindet sich die zweite Filiale von Jonas Reindl in der Westbahnstraße. Eingerichtet minimalistisch aber durchaus gemütlich, lädt es zu einem Plausch ein, aber auch perfekt für Meetings und zum Arbeiten geeignet. Daher ist es nicht ungewöhnlich, hier Kreative vor ihren Laptops, Zeichenblöcken oder Tablets sitzen zu sehen. Die geräumigen Tische bieten genug Platz, um die benötigten Unterlagen vor sich auszubreiten und trotzdem den vorzüglich und in-house gerösteten Kaffee zu genießen. Die Rösterei ermöglicht seither den hervorragenden Kaffee auch vor Ort zu kaufen. In den Sommermonaten hat das Jonas Reindl auch einen Schanigarten vor der Tür und bietet die Möglichkeit, die vorbeiziehenden Kreativen des Bezirks zu beobachten, und die Sonne zu genießen.

Das Wolfgang

Das Wolfgang befindet sich im QWSTION-Store in der Westbahnstraße, Ecke Zieglergasse. Die Betreiber setzen hier auf ein einzigartiges nachhaltiges Konzept. Die Croissants werden von der Nachbarschaft bezogen, nämlich von der Konditorei Frömmel und der Kuchen stammt von einer Wiener Zuckerbäckerin. Auch Veganer*innen kommen hier zum süßen Genuss, denn es gibt immer eine vegane Süßspeise. Der angebotene Kaffee stammt von Röstern, die in direktem und persönlichen Kontakt mit dem Kaffeebauern stehen – auch als Direct Trade bekannt. Noch nachhaltiger als Fair Trade, da es hier keine Zwischenhändler*innen gibt. Die Betreiber sind eingefleischte Neubauer Gastronomen, denn ihr Catering und Barkonzept Die Pafümerie befindet sich nicht unweit in der Neustiftgasse.

So vielfältig, wie die Kaffeehauskultur in der Westbahnstraße auch sein mag, eines haben sie alle gemein – die Liebe zum Kaffee, dessen Kultur und zum Gast! Während der notgedrungenen Schließung wegen der Corona-Pandemie bieten alle hier vorgestellten Betriebe ein To-Go-Service an. Wenn Sie das nächste Mal eine Runde im Grätzel drehen, schauen Sie doch vorbei und kosten sich durch die Kaffeekultur in der Westbahnstraße!

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