Die Kaiserstraße – geschichtliches und Wissenswertes

Bei der Jobsuche wird dem Erwerbslosen schnell klar, dass Arbeitgeber Wert auf ein gewisses Set an Eigenschaften legen. Unabhängig von der hierarchischen Position des Angestellten sind Pünktlichkeit, Ehrgeiz und Teamfähigkeit Grundvoraussetzungen. Betrachtet man lediglich die oberen Sprossen der Karriereleiter, fällt auf, dass Verantwortung und Stressresistenz oftmals in Zusammenhang mit einer höheren Entlohnung stehen.

Im Österreich des 18. Jahrhunderts stand klar fest, dass niemand höher klettern konnte und niemand stressresistenter und verantwortungsvoller sein durfte als der Kaiser. Aber wie bezahlt man jemanden, der bereits alles hat? Mit Ruhm und Ehre, mit einer Semmel und einer Straße. Die Kaisersemmel wurde nach dem allgemeinen Berufsstand benannt, die Kaiserstraße im siebten Bezirk verdankt ihren Namen allerdings nur einem: Kaiser Joseph II.

Krankenpflege in der Kaiserstraße

Die Straße wurde zwar dem Kaiser gewidmet, steht aber nicht in besonderer Verbindung zu ihm. Auffallend ist allerdings die Anzahl an Gesundheitseinrichtungen, welche die Kaiserstraße im Laufe der Zeit beheimatete. Hier ist unter anderem das Sophienspital zu nennen. Im Jahr 1845 erwarb der wohlhabende Graf Eduard Kenyon ein großflächiges Grundstück im heutigen siebten Bezirk. Er bat seine Gattin, Gräfin Eugenie Louise Kenyon, dieses nach seinem Tod umzuwidmen, um darauf ein Krankenhaus errichten zu lassen: Das Sophienspital.

Außerdem befand sich das erste österreichische Kinderspital ­zumindest teilweise in der Kaiserstraße. Im Jahr 1837 wurde es von Ludwig Wilhelm Mauthner gegründet, um für die Gesundheit der jungen Wiener und Wienerinnen zu sorgen. 1848 wurde das heutige St. Anna Kinderspital in den neunten Bezirk umgesiedelt. Des Weiteren befand sich das Ordenshaus der „Schwestern vom göttlichen Heiland“, einer Glaubensgemeinschaft, die sich der Krankenpflege widmete, in der Kaiserstraße.

Die Geschichte des Johann Wilhelm Klein

Johann Wilhelm Klein

Im Jahr 1792 verfasste ein junger Jurist eine Abhandlung über die Bekämpfung von Armut mit dem Titel „Über Armut, Abstellung des Bettelns und Versorgung der Armen“. Ebenjener Anwalt erhielt sieben Jahre später auf Grund seiner bisherigen Arbeit eine Anstellung bei der Wiener Hofkommission zur Neueinrichtung des Armenwesens. Da er seine Aufgabe so gut bewältigte und neben Pünktlichkeit, Ehrgeiz und Teamfähigkeit wohl auch Verantwortung und Stressresistenz bewies, übersprang Johann Wilhelm Klein mehrere Sprossen besagter Karriereleiter und wurde zum Armenbezirksvorsteher gewählt.

Im Gegensatz zu vielen seiner Standeskollegen lehnte Klein es allerdings ab, für seine hierarchisch höhere Position am Arbeitsmarkt entsprechend entlohnt zu werden, er diente dem Gemeinwohl. Und doch widmete er seine Aufmerksamkeit einer bestimmten Personengruppe, einer Gesellschaftsschicht, der zu seinen Lebzeiten schlichtweg keine Beachtung geschenkt wurde.

Das erste Blindeninstitut im deutschen Sprachraum

Johann Wilhelm Klein sah seine Lebensaufgabe darin, Blinden zu helfen, sich in ihrer Umwelt zurecht zu finden und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich weiterzubilden. Zu diesem Zweck eröffnete er in der Kaiserstraße Nummer 14 im Jahr 1809 das erste Blindeninstitut im deutschen Sprachraum. Das Haus trug den Namen „Zum römischen Kaiser“. Johann Wilhelm Klein setzte sich für eine Sache ein, die von seinen Zeitgenossen größtenteils für unmöglich gehalten wurde. Wie sollte man Menschen ohne Sehvermögen Wissen vermitteln? Klein suchte nach einer Lösung und entwickelte eine eigene Art der Blindenschrift, die auch „Stachelschrift“ genannt wurde. Durch den von ihm erfundenen „Stachel-Typen Apparat“ konnten Buchstaben in Papier gestanzt werden. Die Buchstaben mussten nun lediglich mit dem Finger abgetastet werden. 1819 verfasste er außerdem das „Lehrbuch zum Unterrichte Blinder“, welches lange Zeit das wichtigste Werk in diesem Bereich war.

Fazit:

Die Kaiserstraße wurde zwar Joseph II gewidmet, hat jedoch wenig mit dem Kaiser zu tun. In der Straße selbst geschieht und geschah allerdings wahrlich Kaiserliches, so hebt sich dieser Teil des siebten Bezirks durch ein auffallendes Maß an sozialem Engagement hervor.

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